Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
10.12.2001 12:03 +Feedback
Manchmal dauert es ein wenig lange, bis die Wahrheit ans Tageslicht kommt, aber wenn es am Ende eine Enthüllung ist, mit der niemand gerechnet hat, dann war das Warten weder vergeblich noch umsonst. Seit kurzem wissen wir, dass Hitler vermutlich schwul war. Dies läßt das ganze Dritte Reich in einem vollkommen anderen Licht erscheinen. Es war ein Käfig voller Narren, die sich nur mal austoben wollten und, weil es die Gay Pride Parade und den Christopher Street Day noch nicht gab, bis nach Sibirien laufen mussten.
Seit dem 7. Dezember wissen wir noch mehr über die wilden 4oer Jahre. Zum 6o. Jahrestag von Pearl Harbour veröffentlichte Willi Winkler im Feuilleton der SZ einen Beitrag (“Tag der Schande”), in dem er rekonstruierte, wie es zu dem Angriff der Japaner auf die US-Flotte im Pazifik und - als Reaktion darauf - zum Eintritt der USA in den Weltkrieg kam. Natürlich sind die Japaner von den Amis reingelegt worden. Es gab einen amerikanischen Master-Plan, und in diesem Szenario spielten die doofen Japaner eine Rolle, die ihnen von den schlauen Amerikanern auf die Leibchen geschrieben worden war. Nun ist Willi Winkler kein Historiker, sondern ein Asket, der von schwarzem Kaffee und filterlosen Zigaretten lebt, ein kleiner Samurai, der sich züchtigt, bevor er andere peinigt. Das unterscheidet ihn von Willemsen und Droste, die es zwischen zwei Texten wenigstens ordentlich krachen lassen, was ihn freilich mit den beiden verbindet, ist der gleiche schräge Blick auf die Welt: Nichts ist so, wie es scheint, und im Zweifel trifft das Gegenteil zu.
Jetzt hat es Winkler geschafft, Droste und Willemsen, die sich alternierend im Kriegstagebuch der taz übergeben, kübelmäßig zu überholen. “Pearl Harbour ist eine meisterhafte Inszenierung gewesen”, schreibt er in der SZ, ein gigantisches Täuschungsmanöver der Amerikaner, bei dem sie ein paar Tausend eigener Leute geopfert haben, weil sie einen Vorwand brauchten, um im Krieg mitmachen zu können.
Winklers Kronzeuge ist ein amerikanischer Reporter, der ein Buch geschrieben hat und dessen Glaubwürdigkeit vor allem daher rührt, dass er “im Zweiten Weltkrieg als Soldat im Pazifik” mit dabei war. Dieser Reporter entwickelt eine These, die sich Winkler voll zueigen macht.
“Als Hebel gegen die Isolationisten im eigenen Land,” die Amerika aus dem Krieg raushalten wollten, “blieb nur ein Angriff auf das eigene Land.” Da sich die Amerikaner nicht selber überfallen konnten, kam Präsident Roosevelt mit Hilfe seiner Berater auf die Idee, “den Großteil der US-Flotte in die Nähe Hawaiis zu verlegen.” Dann haben die Amis nur noch gewartet, bis sich die Japaner in ihre kleinen Flieger setzten und auf die US-Flotte stürzten und schon hatten sie, die Amis, einen Grund, in den Krieg einzutreten, den sie der eigenen Bevölkerung präsentierten konnten - sagt Willi Winkler unter Berufung auf seinen amerikanischen Autor.
Schade ist nur, dass er uns die Auskunft darüber schuldig bleibt, wie es die Amerikaner denn geschafft haben, hunderte japanischer Piloten für den Angriff zu mobilisieren. Wurden sie mit einem Abo für Reader’s Digest geködert oder wurde jedem ein Soja-Burger mit extra viel Mayo versprochen? Und was hätten die Amis gemacht, wenn die Japaner gesagt hätten: Nee, keine Lust, wir lassen uns nicht verarschen! Haut euch doch selber in die Pfanne!
Es gibt noch viele Fragen, die auf eine Antwort warten. Wie haben es die Polen geschafft, die Deutschen so weit zu bringen, sie am 1. September 1939 zu überfallen? War es nicht ein geniales Manöver der Juden, den Nazis die “Endlösung” zu suggerieren? “Manchmal weiß es der Paranoiker doch am besten”, sagt Winkler. Er muss es wissen. Auch ein Paranoiker darf ein echter Schmock sein.
Zum Nachlesen: Winklers Artikel auf sueddeutsche.de
10.12.2001
© Copyright Henryk M. Broder | Impressum