Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

21.10.2002   13:03   +Feedback

Der Schmock der Woche

Bernd Stange, Fußballtrainer und Botschafter des Friedens

Frieden in der ganzen Welt zu schaffen, ist eine Aufgabe, die auf der deutschen Agenda ganz obenauf steht. Besonders erfolgreich war die deutsche Friedensbewegung in den Jahren von 33 bis 45, und wenn ihr die Amis und die Russen nicht in die Parade gefahren wären, hätte sie ihren pazifistischen Feldzug noch eine Weile fortgesetzt. Schön und effektiv ist es auch, wenn sich Friedensbewegung und Sport paaren, wie zuletzt bei den Olympischen Spielen in München 1936. So ein Fest des Friedens, der Freude und der internationalen Solidarität wirkt noch lange nach.

Neuer Nationaltrainer im Irak: Bernd Stange

Jetzt bekommt Deutschland wieder die Chance, etwas für den Frieden zu tun, und das in einer Gegend, wo er am meisten bedroht ist: im Irak. Bernd Stange, von 1983 bis 1988 Trainer der DDR-Fußballnationalmannschaft, soll Nationaltrainer des Irak werden, die irakischen Kicker auf Weltniveau bringen. Eine schwierige aber auch dankbare Aufgabe. Stange hat ein Vorbild: Winfried Schäfer, “der als Trainer nach Kamerun gegangen ist und dann bei der WM in Asien mit seinem Team gefeiert wurde”. So stellt sich Stange auch seine Zukunft vor.

Vorerst aber sitzt er im Sheraton-Hotel in Bagdad, haut mit der flachen Hand auf den defekten Fernseher und gibt dem Tagesspiegel in Berlin ein Telefon-Interview. “Bagdad ist total aufregend”, sagt er, “mich erinnert die Stadt an Istanbul”. Allerdings, “es gibt auch schlechte Seiten, die Sanktionen haben Spuren hinterlassen”. Es spricht der Experte für Abseits, Freistoß und vergleichende Städtereisen. Die Sanktionen haben Spuren hinterlassen, das kann er genau erkennen, nicht eine 2ojährige Diktatur, die das Land ruiniert hat.

“Auf den Straßen fahren nur alte Autos, die Infrastruktur ist ziemlich kaputt”, und wenn er mal vom Hotel aus die deutsche Botschaft anrufen möchte, “dann funktioniert das Telefon oft nicht”. Dennoch nimmt er die Strapazen auf sich, denn Bernd Stange glaubt “an das olympische Ideal”, auch wenn das Telefon nicht geht. “Der Sport ist in der Lage, die Machenschaften der Herrschenden zu umgehen. Ich werde mich nicht missbrauchen lassen [...] Zur Politik werde ich kein Wort sagen.” Schwerter zu Pflugscharen, Frieden schaffen ohne Waffen, den Herrschenden die gelbe Karte zeigen. Und immer nach vorne schauen, denn: “Sportlich ist der Irak nicht isoliert. Das Land ist ein normales Mitglied des Fußballweltverbandes Fifa, und es gibt hier viele reguläre Fußballspiele.”

Eine ganz normale Diktatur also, in der ganz regulär Fußball gespielt wird. Wie früher in der DDR. Dazu kommt eine geopolitische Komponente: “Die Deutschen sind hier sehr beliebt [...] Einen englischen oder amerikanischen Fußballtrainer kann sich hier niemand vorstellen. Ich dagegen begreife mich als ein Botschafter des Friedens.” Seine Exzellenz, der Herr Botschafter d.F., mag freilich kein allzu großes Risiko eingehen. Deswegen hat er “eine Ausstiegsklausel für den schlimmsten Fall - falls es Krieg gibt” vereinbart. Das Außenministerium habe ihm zugesichert, “dass ich im Ernstfall ausgeflogen werde”.

Statt sich also im Ernstfall den anfliegenden Bomben in den Weg zu stellen, wird Friedensbotschafter Bernd Stange im Außenministerium anrufen und sich ausfliegen lassen, wenn das Telefon geht und die US-Missiles nicht schneller sind. Die Reise nach Bagdad zahlt Saddam Hussein, den Rückflug der deutsche Steuerzahler. Aber so weit muss es nicht kommen. Vielleicht wird der Botschafter des Friedens schon früher nach Hause geschickt, auf eigene Kosten. Wie schon einmal im September 2oo1, da wurde er nach nur zehn Wochen Arbeit als Fußballnationaltrainer des Oman wegen Erfolglosigkeit gefeuert. Dann wird er wieder zu Hause in Jena sitzen, im Garten den Rasen mähen, die Rosen schneiden und auf ein neues Angebot warten, als Fußballtrainer oder Friedensbotschafter. Und sich über den Schmock der Woche freuen, der ihm für seine Verdienste um den Sport und den Frieden verliehen wurde.

HMB, 21.10.2oo2

Permanenter Link

Uncategorized