Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

22.04.2008 18:59 +Feedback
Wer jemals einen Kongress des PEN-Zentrums oder eine Jahreshauptversammlung des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) besucht hat, der weiss, deutsche Intellektuelle sind blutleere Wesen, die sich ungeschlechtlich vermehren, indem sie Resolutionen verfassen. Viele können von ihrer Arbeit nicht einmal leben und haben deswegen Lehrerinnen oder Sozialarbeiterinnen geheiratet. Wenn es freilich um Kapitalismus- und Imperialismuskritik geht, dann laufen sie zur Hochform auf. Richtig Leben aber kommt erst in die Sülze, wenn es um Israel geht. Spätestens seit dem “Berliner Antisemitismusstreit” (1879-1881) ist auch das eine gute deutsche Intellektuellen-Tradition. http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Antisemitismusstreit Es kam auch vor, dass sich Antisemiten gegenseitig vorwarfen, “Judenfreunde” zu sein. Heute geht es, dank der erfolgreichen Entsorgungspolitik, nicht mehr um Juden sondern um Israel. Aber die Emotionen sind dieselben. Die Juden, pardon: Zionisten sind unser Unglück!
Jetzt hat eine Gruppe deutscher Intellektueller, die als Individuen am liebsten als Horde auftreten, eine Erklärung zum 60. Jahrestag der Gründung Israels abgegeben: “Glückwünsche und Sorgen”. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/?em_cnt=1320709 Darauf haben die Israelis seit 60 Jahren ungeduldig gewartet. Was halten Jörn Böhme (Aktion Sühnezeichen), Johano Strasser (PEN), Reinhard Höppner (Ex-Ministerpräsident) und Claudia Roth (SZ-Aktmodell http://medienlese.com/2008/02/22/68er-unverhuellt-im-sz-magazin-antwort-und-aktmodell/) von dem zionistischen Experiment?
Diese Frage hat auch eine verhalten proisraelische Rede von Gregor Gysi provoziert, die er bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehalten hat. Jetzt bläst ihm der Sturm ins Gesicht, viele Genossen meinen, er sei zu weit gegangen. Die Abgeordnete Ulla Jepke z.B. sagt: ““Ich halte es für legitim, gegen Zionismus zu sein.” http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/gysis-machtwort-irritiert-genossen/?src=SE&cHash=b4be7f677d, http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/eine-frage-der-staatsraison/?src=SE&cHash=5bd3d360ef
Klar, warum auch nicht. Die Linke hat ihre DDR-Geschichte aufgearbeitet, die auf mysteriöse Weise verschwundenen SED-Millionen gefunden und vergesellschaftet, die Ausbildung palästinensischer Terroristen beendet und die letzten RAF-Leute ausgewiesen. Auch bei Frau Jelpke daheim ist alles in Butter, der Wellensittich gesund und die Heizung intakt. Also kann sie sich leisten, “gegen Zionismus zu sein”. Und was macht die Braut am Nachmittag?
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