Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

14.02.2009   19:00   +Feedback

20 Jahre Fatwa

Vor genau 20 Jahren, am 14.2.1989, hat Ayatollah Khomeini - möge er in der Hölle schmoren - eine “Fatwa” gegen Salman Rushdie verhängt, fünf Monate nachdem die “Satanischen Verse” in London erschienen waren. Entgegen anders lautenden Berichten wurde die “Fatwa” nie aufgehoben, dass sie nicht vollstreckt wurde, dürfte mehr mit taktischen als grundsätzlichen Überlegungen zu tun haben. Rushdie ist noch immer vorgelfrei, und jeder Moslem, der sich an ihm vergreifen würde, käme hinterher geradewegs ins Paradies.
Die Rushdie-Affäre war quasi die Generalprobe für alle folgenden Inszenierungen kollektiver Empörung, die Regensburger Rede des Papstes, die Veröffentlichung der 12 Mohammed-Karikaturen durch Jyllands-Posten, die Aufregung über die britische Lehrerin Mrs. Gibson, die es zugelassen hatte, dass ihre Schüler einen Teddy-Bären “Mohammed” genannt hatten und einiges mehr. Das vorläufig letzte Kapitel der Geschichte, die mit der Fatwa gegen Rushdie begann, ist das Einreiseverbot für Geert Wilders in England - nachdem Lord Ahmed, das erste muslimische Mitglied des Oberhauses auf einem Labour-Ticket, gedroht hatte, 10.000 seiner Brüder und Schwester auf die Straße zu bringen, falls Wilders ins Land kommen und seinen Film “Fitna” in einer privaten Vorstellung zeigen würde. Wilders ignorierte die Verfügung aus dem Home Office, reiste nach London, wurde in Gewahrsam genommen und abgeschoben. Daheim in Holland wird gegen ihn wegen “Aufstachelung” ermittelt.

Im multikulturellen Grossbritannien wirkte sich die Kontroverse vor allem auf die Ausdrucksfreiheit aus. Hatte das Verlagshaus Penguin gerade dieses Prinzips wegen die «Satanic Verses» nie fallenlassen, handelt man in vielen Kulturinstitutionen heute anders. Um muslimische Sensibilitäten nicht zu verletzen, sagte das Royal Court Theatre letztes Jahr die Inszenierung einer neuen Version von Aristophanes’ «Lysistrata» ab – und aus demselben Grund wurden bereits 2005 im Barbican einige Stellen aus dem Marlowe-Stück «Tamburlaine the Great» entfernt. Auch wurde im selben Jahr das Werk «God is Great» des Bildhauers John Latham, der dafür nebst Seiten aus Bibel und Talmud solche aus dem Koran verwendet hatte, aus der Tate Gallery entfernt.
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/der_fluch_der_satanischen_verse_1.1995857.html

BBC arts correspondent Lawrence Pollard said the controversy over the book could be seen as a defining moment for British society, both for race relations and freedom of speech. “[It was] the catalyst for the emergence of a stronger sense of Muslim identity in Britain,” he said. “Protestors had an issue around which to rally.”
http://news.bbc.co.uk/2/hi/entertainment/7889889.stm

Mit der ungewöhnlichen Kriegserklärung des Iran, der damals mit dem Rücken zur Wand stand, machten religiös eingefärbte Kulturkonflikte Schule. Die Morddrohung gegen Rushdie, die an Verlegern, Übersetzern und anderen Schriftstellern tatsächlich exekutiert wurde, ist niemals zurückgenommen, sondern zuletzt zur Erhebung Rushdies in den Ritterstand im Jahr 2007 erneuert worden… Morddrohungen extremistischer Muslime zielten auf andere Autoren wie die aus Bangladesh stammende Taslima Nasrin; bei einem allevitischen Kulturfestival im türkischen Sivas legte 1993 der Mob Feuer in einem Hotel, 35 Menschen starben. Ausschreitungen anlässlich der 2005 in westlichen Blättern erschienenen “Mohamed-Karikaturen” trieben die gegen Rushdie begonnene Hexenjagd auf die Spitze.
http://www.welt.de/welt_print/article3197159/Blasphemie-muss-sein.html

Die Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie wirkt bis heute. Ihr Geist weht sogar durch die Uno. Die Forderungen nach Einschränkung der Redefreiheit zum »Schutze« religiöser Gefühle und zur Eindämmung der »Islamophobie« haben längst Eingang in die Agenda der Vereinten Nationen gefunden. Zuletzt wurde, vor allem auf Betreiben der Staaten der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), am 18.?Dezember auf der UN-Vollversammlung eine Resolution zur »Bekämpfung der Diffamierung von Religionen« durchgesetzt, in der konkret als Religion nur der Islam erwähnt wird. http://jungle-world.com/artikel/2009/07/32626.html

Genau 20 Jahre ist es her, dass der greise Chomeini seinen tödlichen Fluch über das Radio in die Welt blies. “Ich informiere hiermit die stolzen Muslime der Welt, dass der Autor des Buches ‘Satanische Verse’, das gegen den Islam, den Propheten und den Koran gerichtet ist, sowie alle, die an seiner Publikation teilhaben, zum Tode verurteilt sind”, verkündet er damals. “Ich fordere alle Muslime auf, sie hinzurichten, wo immer sie sie auch finden.” ... Damit ist Autor Rushdie, 1947 als Muslim in Indien geboren, später britischer Staatsbürger, praktisch vogelfrei - er muss untertauchen, um sein Leben zu schützen. Die “Rushdie-Affäre” beschäftigt in den folgenden Jahren Polizei und Philosophen, Regierungen und Rechtsanwälte, Europäische Gemeinschaft und Uno. An ihr wird, nicht zuletzt, der Streit zwischen Vertretern und Gegnern der These vom “Kampf der Kulturen” ausgefochten. http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3668/der_dichter_und_sein_henker.html

Khomeini mag mit dem Versuch gescheitert sein, durch seine Fatwa die Verbreitung des Buchs zu unterbinden, hinsichtlich der Ausbreitung eines Klimas der Selbstzensur und der Einschränkung der Redefreiheit angesichts religiöser Gefühle jedoch war dem Ayatollah mit seiner Fatwa posthum ein Triumph beschieden. Die Linke hat daran einen beträchtlichen Anteil… Inzwischen hat sich die kulturrelativistische Auffassung, dass sich in einer multikulturellen Gesellschaft die Redefreiheit den Sensibilitäten der religiösen Gefühle unterzuordnen und aus Respekt vor der kulturellen »Identität« des »Anderen« zurückzutreten habe, genauso auf breiter Front durchgesetzt wie die Vorstellung, dass aufgrund einer allgegenwärtigen »Islamophobie« die Muslime besonders verletzlich seien.
http://jungle-world.com/artikel/2009/07/32626.html

Auf die Frage, wie er die westlichen Werte definiere, hat er geantwortet: »Küssen in der Öffentlichkeit, Schinken-Sandwiches, offener Streit, scharfe Klamotten, Kino, Musik, Gedanken­freiheit, Schönheit, Liebe.« Gegen dieses menschenfreundliche Programm werden die abergläubischen Miesepeter auch im 21.?Jahrhundert nicht ankommen. Das ist der Fluch des Khomei­ni: Verwünsche die Sünder, und sie werden auf deinem Grab tanzen. http://jungle-world.com/artikel/2009/07/32627.html

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