Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

27.04.2009   20:31   +Feedback

“Antisemitismus ist zum Totschlagargument geworden”

Kennen Sie den? Fragt der Tünnes den Schäl: “Sag mal, Schäl, wie ist denn so deine Frau im Bett?” - Sagt der Schäl: “Die einen sagen so, und die anderen so.”

Prof. Wolfgang Benz, Direktor des TU-Zentrums für Antisemitismusforschung, hat dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben, in dem er den Unterschied zwischen manifestem und latentem Antisemitismus erklärt, auf die Verbindung zum Konflikt im Nahen Osten eingeht und die Grenze zu definieren versucht, an der “Israelkritik” in Antisemitismus umschlägt. So weit, so gut, wenn auch nicht neu oder aufregend. Wie fast alle Antisemitismusforscher versucht auch Benz, eine oder mehrere Antworten auf die Frage zu finden, WARUM Juden gehasst werden und liefert damit ungewollt den Antisemiten Argumentationshilfe. Die Frage, warum JUDEN dermaßen kontinuierlich gehasst werden, weil sie links oder rechts, arm oder reich, dumm oder gebildet sind, stellt Benz nicht. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/258904/

Das Interview enthält einige besonders anmutige Passagen, die es verdienen, für die Nachwelt festgehalten zu werden. Auf die Frage: “Besteht die Gefahr, dass dieser Vorwurf des Antisemitismus auch politisch instrumentalisiert wird?”, antwortet Prof. Benz: “Ja, natürlich. Antisemitismus ist das älteste politische, kulturelle, soziale Vorurteil, das die Welt kennt, und Antisemitismus ist immer politisch instrumentalisiert worden, in der Regel fast immer natürlich gegen die Juden, aber es lassen sich auch andere Kreise vorstellen, gegen die man den Vorwurf erheben kann, und in Deutschland ist er auch zum Totschlagargument geworden, um jemanden mundtot zu machen.”

Fast immer gegen die Juden? Und zwischendurch gegen wen noch? “Andere Kreise.”  Oder können es auch mal Dreiecke sein?  Noch schöner ist die Feststellung, der Antisemitismus sei “zum Totschlagargument geworden, um jemanden mundtot zu machen”. Für Benz ist der Antisemitismusvorwurf ebenso schlimm wie der Antisemitismus selber, wenn nicht schlimmer. Er bekämpft den Antisemitismus, ohne sich mit den Antisemiten anzulegen. Ein Kriminalist, der die Kriminalität bekämpft und um die Kriminellen einen Bogen macht, wäre eine Lachnummer, in der Welt der “Vorurteilsforschung”, Abt. Antisemitismus, ist das der Nachweis höherer Weisheit.

Es kommt noch besser. Auf die Frage bzw. Insinuation des Interviewers “Muss man Ariel Scharon den Vorwurf machen, dass er mit seiner harten Politik gegenüber den Palästinensern, den Morden an Hamasführern, der alltäglichen Gewalt der israelischen Armee in Gaza den Nährboden bereitet für antijüdische Ressentiments in Deutschland und Europa?” reagiert Benz folgendermaßen: “Diesen Vorwurf kann man machen. Man muss aber sich von diesem Nährboden nicht nähren lassen. Es ist immer die Entscheidung des einzelnen, ob er jetzt Scharon kritisiert, was legitim und sein gutes Recht ist, oder ob er dann den Schritt weitergeht und sagt, die Juden sind einfach so; dann ist es Antisemitismus und dann kollidiert es mit unserem gesellschaftlichen Konsens.”

Ja, die einen sehen es, die anderen so, es kommt auf den Einzelnen an.

Das Interview ist übrigens fünf jahre alt. Seitdem ist viel Wasser die Spree, den Rhein, die Weser, die Ems, den Necker und die Iller heruntergeflossen. Nur die Antisemitismusforschung hat sich nicht von der Stelle bewegt.

 

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