Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.04.2009   04:09   +Feedback

Around the Mall 15

Das Einzige, das gegen Washington spricht, ist: Die Menschen stehen früh auf und gehen früh schlafen. Das Nachtleben findet in Georgetown, rund um den Dupont Circle und in Adams Morgan statt, der Rest der Stadt ist weitgehend ausgehfreie Zone. Lunch gibt es in den Restaurants ab 11 Uhr, Dinner ab 16 Uhr. Andererseits kann man in vielen Lokalen wie dem Waffle Shop (http://www.downtowndc.org/visit/go/waffle-shop-the) den ganzen Tag frühstücken. Beim Essen verstehen die Amis keinen Spass. Flambierte Nierchen an Reisrand mit kreolischem Wurzelgemüse und andere Ausgeburten durchgeknallter Promiköche haben hier keine Chance. Dafür gibt es zahllose Salad-Bars, in denen man sich sein Menü selber zusammenstellen kann, für alberne 6.00 US-Dollar pro Pound, etwas weniger als ein halbes Kilo. (http://images.google.de/images?hl=de&lr=&q=salad+bar&um=1&ie=UTF-8&ei=fgvcSYKpCNnqlQfPtYyADg&sa=X&oi=image_result_group&resnum=4&ct=title) Davon können die armen Menschen in Dortmund, Hinterzarten und Schwäbisch Hall nur träumen.

Rudi und ich lassen es krachen. Wir gehen in den Chinatown Express in der 6. Strasse und bestellen zweimal Crispy Duck. “Köstlich” wäre eine Untertreibung, so als würde man Sarah Silverman als “witzig” bezeichnen. http://dc.metromix.com/restaurants/asian/chinatown-express-northwest/384665/content Danach halten wir ein Taxi an, Rudi muss noch ins Büro, ich hab einen Termin in der Foxhall Rd. Unser Fahrer ist schon etwas älter, er fährt sein Auto wie einen Panzer und trinkt dabei Kaffee aus einem Pappbecher. Etwas nervös macht uns nur, dass er Mühe hat, den Becher zwischendurch abzustellen. “Fasten the belts, gentlemen!” befiehlt er, gerade noch rechtzeitig vor der ersten Vollbremsung. Nachdem Rudi ausgestiegen ist, stellt der Fahrer den Meter wieder auf Null. “It’s a new trip!” sagt er, um die drei Dollar Grundgebühr zu rechtfertigen.

Für die Rückfahrt zum Dupont Circle nehme ich die Metro, obwohl ich lieber overground reise. Man sieht mehr von der Stadt und riskiert weniger. In der Metro ist die “crime rate” im Vergleich zum April letzten Jahres um 30% gestiegen, vermutlich eine Folge der Wirtschaftskrise, von der man freilich in Washington selbst nichts merkt. Ich treffe Jack in der Bar des Tabard Inn (http://www.tabardinn.com/), er ist eben aus Deutschland zurück, wo man von Obama nicht mehr ganz so begeistert ist wie noch vor einem halben Jahr. “Warum können Europa und Amerika nicht wenigstens in der jetzigen Situation besser kooperieren?” Eine gute Frage, auf die wir beide keine Antwort wissen.

Dann drehe ich noch eine Runde um den Dupont Circle und nehme den Bus zur Wisconsin Avenue. Morgen geht es zurück nach Berlin. Eine leichte Wehmut überkommt mich. Was solls, das Essen bei unserem Vietcong ist auch anständig.

 

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