Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

27.05.2010   01:02   +Feedback

Unrecht, das zum Himmel schreit

Gunhild Böth unterrichtete am Johannes-Rau-Ganztagsgymnasium in Wuppertal, saß für die Partei Die Linke im Rat der Stadt Wuppertal und war im Landesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für „multikulturelle Politik“ zuständig. Ihr Motto war: „Ich will alles, und das sofort!“ Um diesem Ziel näher zu kommen, kandidierte sie für die Linkpartei bei den letzten Landtagswahlen am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen.

Nachdem die LINKE mit 5.6% der Stimmen 11 Mandate bekommen hatte, gab Gunhild Böth einem TV-Magazin ein Interview, in dem sie die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, mit diesen Sätzen beantwortete: „Insgesamt, in toto, kann man das, glaube ich, so nicht sagen. Wenn man sich anguckt, aus welchen Trümmern sozusagen die DDR und mit welchen Reparationszahlungen die auch sehr demokratisch und auch sehr antifaschistisch eine neue Republik aufgebaut haben, dann, muss man sagen, finde ich das sehr beeindruckend.” Worauf sich das Lehrerkollegium und die Schulleitung des Gymnasiums, an dem Frau Böth unterrichte, von der Kollegin distanzierten: „Eine solche Äußerung entspricht in keiner Weise den historischen Tatsachen und stellt lediglich die private Meinung einer Lehrerin dar… Als gewählte Abgeordnete erteilt sie deshalb an unserem Gymnasium keinen Unterricht mehr.“

Offenbar waren die politischen Ansichten und Aktivitäten der Lehrerin den Kollegen bis dahin nicht aufgefallen.

Zur gleichen Zeit wurde auch bekannt, dass zehn der elf Abgeordneten der LINKEN in Organisationen aktiv sind oder waren, die vom Verfassungsschutz als „extremistisch“ eingestuft werden, u.a.. in der „Roten Hilfe“, die einsitzende Terroristen betreut.

Noch vor zehn Jahren wäre die Republik über eine solche Enthüllung außer sich gewesen, die Medien hätten getobt, die politische Klasse wäre Kopf gestanden. Aber inzwischen hat man nicht nur andere Sorgen, man hat sich an vieles gewöhnt, das früher unvorstellbar schien. Zum Beispiel, dass eine Abgeordnete des Bundestages ein „Grusswort“ zur alljährlichen Tagung der „haupt- und nebenamt-lichen Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung“, der „Hauptverwaltung A“ schickt, also jener Truppe innerhalb der Stasi, die für Spionage in der damaligen BRD zuständig war.

Das Grußwort fängt mit diesen Worten an:
„Liebe Genossinnen und Genossen,
auch über 20 Jahre nach der so genannten Wende wird die Stasi-Keule munter weiter geschwungen. Dabei geht es keineswegs um die Aufarbeitung der Vergangenheit, um die Suche nach der historischen Wahrheit oder der unvoreingenommenen Analyse des Scheiterns des ersten Sozialismusversuches. Vielmehr sollen jede positive Erinnerung an soziale Errungenschaften der DDR ebenso wie jede aktuelle Kapitalismuskritik diskreditiert werden.“

Weiter geht es mit der Feststellung, Antikommunisten aller Couleur würden „mit Schaum vor dem Munde an der weiteren Dämonisierung der DDR und insbesondere des MfS arbeiten“. Viele der ehemaligen „Aufklärer“ seien „für ihren mutigen Einsatz für den Frieden nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft“ worden, während die Spione der Bundesnachrichtendienstes der BRD „für ihre Operationen gegen den Sozialismus straffrei“ blieben. „Diese Ungleichbehandlung ist bis heute ein himmelschreiendes Unrecht, das ein bezeichnendes Verständnis auch auf den so genannten ‚demokratischen Rechtsstaat’ wirft…“

Die Abgeordnete Ulla Jelpke ist keine DDR-Altlast. Sie wurde 1951 in Hamburg geboren, hat Friseurin gelernt und über den 2. Bildungs-weg ein Soziologie-Studium abgeschlossen. Zwischendurch war sie auch „als Strafvollzugshelferin“ aktiv. Als Schwerpunkte ihrer politischen Tätigkeit nennt sie u.a. „Verteidigung von Grundrechten, Antifaschismus und Menschenrechtsfragen“.

Deswegen kämpft Frau Jelpke für die Rehabilitierung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, deren „Ungleichbehandlung“ zum Himmel schreit. Sie macht es als Abgeordnete des sog. „Rechtsstaates“, der ihr Immunität gewährt und sie dafür bezahlt, dass sie gruselige „Grußworte“ schreibt, statt anderen Leuten die Haare zu waschen oder Locken auf der Glatze der Gesellschaftstheorie zu drehen. – So was hätte es früher in der DDR nicht gegeben. Die war zwar, im Gegensatz zur BRD, ein lupenreiner Rechtsstaat, aber über Frau Jelpkes Humor hätte nicht einmal die Stasi gelacht.
C: Weltwoche, 27.5.10

PS.
Auf die schriftliche Anfrage, wie lange Frau Böth am Johannes-Rau-Gymnasium unterrichtet habe, antwortete der Schulleiter, Oberstudiendirektor Schlesinger:

“Sehr geehrter Herr Broder,
bezüglich Ihrer Fragen über Frau Böth, wenden Sie sich bitte an die Bezirksregierung in Düsseldorf. Tel 0211-475-0
Mit freundlichen Grüßen
gez. W. Schlesinger, OStD, Schulleitung”

Die Auskunft, die zu geben OStD Schlesinger nicht in der Lage war, kann man mühelos im Netz finden. Frau Böth hat seit 1980, also 30 Jahre, an am Johannes-Rau-Gymnasium unterrichtet, und zwar Erziehungswissenschaften, Sozialwissenschaften und Politik. Von 72 bis 78 gehörte sie der SPD an, von 79 bis 89 der DKP, 91 trat sie in die PDS ein. Nur an der Schule hat es keiner gemerkt.

 

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