Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

15.09.2012   22:44   +Feedback

Hurra, wir haben wieder einen Schmock der Woche!

Ich werde immer wieder gefragt, warum ich die Rubrik “Schmock der Woche” eingestellt habe bzw. nicht wieder belebe. Nun, die Antwort ist ganz einfach. Ebenso wie bei Bundeskanzler-Kandidaten, Parteivorsitzenden und ARD-Intendanten ist auch bei den Schmöcken die Personaldecke ziemlich dünn. Auf den hinteren Rängen tummeln sich etliche, die ihre Ersparnisse hergeben würden, um zum Schmock der Woche geadelt zu werden, aber vorne, da sieht es aus wie bei der Jahrestagung der Gesellschaft für fairen Wettbewerb, Sektion Timbuktu.
Also hab ich gewartet und gewartet und gewartet, bis endlich ein würdiger Anwärter auf den Schmock der Woche wie Deus ex machina aus dem Nichts auftauchen würde. Nun ist er da! Feiert, jubelt und freuet Euch! Zugegeben, der neue Schmock der Woche gehört nicht zu den A-Klasse-Promis, die jeder Rentner in Dinslaken und jedes Kind in Wunsiedel kennt, weder war er im Dschungelcamp, noch hat er mit den Geissens aus demselben Sektkübel geschlurft. Was ihm aber an echter Prominenz abgeht, das macht er durch Arroganz, Dummheit und Übermut mehr als wett. Vorhang auf, Auftritt Ruprecht Polenz, CDU-MdB aus Münster und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Facebook-Aficionado und Förderer tragikomischer Gestalten wie der Remagener Hausfrau und Möchtegern-Jüdin Irena Wachendorff. Auf Polenz’ Facebook-Seite lesen wir:

Wer das Hetzvideo gegen den Islam und Muslime im Namen der Meinungsfreiheit verteidigt, hat nichts verstanden. Die Mitarbeiter der US-Botschaft in Kairo waren in Todesangst, weil ein Mob drohte die Botschaft zu stürmen, der WEGEN DES VIDEOS aufgestachelt werden konnte. Die rechtspopulistische und islamfeindliche PRO-Bewegung hat das Video auf ihre Website gestellt und GEFÄHRDET DADURCH DEUTSCHE BOTSCHAFT-MITARBEITER, Das erfüllt den Straftatbestände (sic!) des § 166 StGB.

§ 166 StGB lautet:
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Polenz, der Jura studiert, das Erste und Zweite Staatsexamen gemacht und als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Steuerrecht der Universität Münster gearbeitet hat, bevor er zur Industrie- und Handelskammer Münster wechselte, deren Geschäftsführer er 1984 wurde, versteht vom Strafrecht noch weniger als von Waldorf-Kitas in Israel. Wenn im Falle des Mohammed-Videos irgendwer den “öffentlichen Frieden” gestört hat, dann war es der Mob, der in Kairo, Bengasi und Khartum die amerikanischen und deutschen Botschaften gestürmt hat, ganz spontan, wie wir inzwischen wissen. Um den § 166 StGB anzuwenden, müsste ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Einstellen der Mohammed-Videos auf der PRO-Website und den Ausschreitungen in Kairo, Bengasi und Khartum bewiesen oder zumindest mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegt werden.

Spätestens seit 2006 wissen wir, dass die progressiven Elemente in der moslemischen Welt täglich die Jyllands-Posten lesen; nun muss Polenz herausgefunden haben, dass sie auch regelmäßig die PRO-Website anklicken, um sich über die islamophoben Vorgäge in Deutschland zu informieren. Würde man sie dazu bringen, dem Polenz seine Seite zu besuchen, könnten sie dort das folgende Statement des großen westfälischen Juristen lesen:

Ich freue mich über den 1000. Abonnenten meiner Fb-Kommentare und die über 4800 Fb-Freunde, die auf meiner Pinnwand jeden Tag für lebendige, kontroverse und manchmal auch hitzige Diskussionen sorgen. Mein Grundsatz “Im Zweifel für die Meinungsfreiheit” gilt weiterhin - natürlich mit der Konsequenz, dass jeder für seine Meinung selbst verantwortlich ist. http://www.facebook.com/ruprecht.polenz/posts/365836500094658

Aber das gilt nur für den antisemitischen Dreck, den Polenz auf seiner Pinnwand präsentierte, der deswegen den “öffentlichen Frieden” nicht störte, weil die Juden nicht dieselbe Affinität zum Beleidigtsein und Amoklaufen haben wie die Moslem. Polenz seinerseits, der einen Touristen von einem Terroristen nicht unterscheiden kann, hat glaubwürdig gezeigt, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen. Und die seiner Beschränktheit dazu. Er st der neue Schmock der Woche.

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