Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

29.06.2010   14:23   +Feedback

Jeder reist auf seine Kosten

sehr geehrter herr dr. lammert,
einem bericht der WELT vom 27.5. (http://www.welt.de/politik/ausland/article7812162/Solidaritaetsflotte-als-Provokation-gegen-Israel.html) entnehme ich, dass eine abgeordnete der LINKSpartei (annette groth) an einer hamas-propaganda-aktion teilnimmt.
ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie mir mitteilen würden, ob so ein verhalten mit den aufgaben und der würde eines/einer abgordneten des bundestages vereinbar ist und ob frau groth, soweit ihnen bekannt, die kosten selber trägt oder sie als “dienstreise” abrechnet.
mit dank im voraus
und besten grüßen
ihr hm broder

Sehr geehrter Herr Broder,
im Namen des Bundestagspräsidenten danke ich Ihnen für Ihre
E-Mail v. 28. Mai 2010 und Ihre kritischen Anmerkungen zur
Beteiligung einer Bundestagsabgeordneter an einem
Schiffskonvoi nach Gaza. Prof. Dr. Lammert hat mich gebeten,
Ihnen auf Ihre Fragen zu antworten. Dabei bitte ich die verspätete
Antwort zu entschuldigen; dies beruht auf einem Mißverständnis
innerhalb unseres Hauses.
In dieser Sache ist zu beachten, dass Abgeordnete dem
Bundestagspräsidenten gegenüber nicht rechenschaftspflichtig
sind. Dies gilt auch für ihre Aktivitäten und Reiseabsichten ins
Ausland – sofern es sich nicht um eine Dienstreise im Sinne des
Abgeordnetengesetzes und der Ausführungsbestimmungen des
Ältestenrates handelt. Dienstreisen von Mitgliedern des
Bundestages müssen demnach im originären parlamentarischen
Interesse liegen und bedürfen der vorherigen Zustimmung des
Präsidenten. Nur dann werden die Kosten vom Deutschen
Bundestag im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel
übernommen. Ein entsprechender Antrag wurde von den
betreffenden Abgeordneten beim Präsidenten nicht gestellt. Eine
Beurlaubung wurde ebenfalls nicht erbeten; sie kommt nur an
Sitzungstagen des Parlaments zum Tragen (§ 14 Abgeordnetengesetz)
Jede Fraktion verfügt daneben über ein jährliches Budget für
Fraktionsreisen ins Ausland, über das sie in eigener
Verantwortung bestimmt. Ob die Reisekosten der Abgeordneten
Frau Annette Groth und Frau Inga Höger möglicherweise von
ihrer Fraktion getragen worden sind, ist dem Büro des
Bundestagspräsidenten nicht bekannt. Bitte erfragen Sie dies bei
der Fraktion Die Linke bzw. unmittelbar bei den beiden
Abgeordneten.
Hinsichtlich der Überlegung, inwiefern ein solches Verhalten mit
Aufgaben und Würde einer Abgeordneten vereinbar ist, gestatten
Sie mir folgendes anzumerken: So kritikwürdig das Verhalten
von Abgeordneten im Einzelfall sein mag, garantiert das
Grundgesetz jedem Mitglied des Bundestages ein freies Mandat.
Es ist an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden und nur
seinem Gewissen unterworfen. Inwieweit ein bestimmtes
Verhalten akzeptabel und mit Aufgaben und Würde eines
Parlamentariers vereinbar ist, haben letztlich diejenigen zu
beurteilen, denen sich der oder die Abgeordnete zur Wiederwahl
stellen möchte.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Sven Göran Mey
Berlin, 29. April 2010

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