Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

06.07.2009   18:48   +Feedback

Das Würstchen vom Dienst

Einige meiner besten Freunde sind Juden, Möchtegern-Juden und Anti-Juden, die sich an mir abarbeiten wie Eichhörnchen an einer Kokosnuss. Es sind notorische Bruchpiloten darunter, verkrachte Existenzen und Konvertiten, die sich nicht fragen lassen möchten, warum und unter welchem Umständen sie Juden geworden sind. Aber auch durchaus erfolgreiche und elegante Menschen, z.B. der ehemalige israelische Botschafter in Berlin, Avi Primor, ein Mann von Welt und “Jew on Demand”. Seine Spezialität sind Interviews, in denen er immer wieder feststellt, dass der Antisemitismus zurückgeht, auch wenn der Augenschein und ein paar empirische Studien eher dagegen sprechen. Es kommt eben darauf an, wie man Antisemitismus definiert. Die Gefahr einer neuen Reichskristallnacht ist in der Tat minimal. Auch das Risiko, sich einen jüdischen Vornamen wie “Israel” oder “Sarah” zulegen müssen, kann vernachlässigt werden.

Jetzt hat Avi Primor dem Nachrichtensender n-tv wieder ein Interview gegeben: “Der Antisemitismus geht zurück”. Dabei kam es auch zu folgendem Wortwechsel zwischen dem Moderator Manfred Bleskin und dem Ex-Botschafter Avi Primor:

“Henrik M. Broder, ein bekannter jüdischer Publizist in Deutschland, sagt, jegliche Kritik am Staat Israel wäre automatisch Antisemitismus.” - “Ich kenne den Herrn Broder nicht. Ich weiß nicht, was er schreibt und kann dazu nichts sagen.” http://www.n-tv.de/politik/dossier/Avi-Primor-im-Gespraech-article398836.html

Vergessen wir für einen Moment, dass ich nie gesagt habe, “jegliche Kritik am Staat Israel wäre automatisch Antisemitismus” - Manfred Bleskin versucht gerade den Beleg dafür in seinem Archiv zu finden - bleiben wir bei Avi Primor.

Vor etwas weniger als einem Jahr, am 26.8.2008, gab er dem Deutschlandfunk ein Interview (” Antisemitismus geht stetig zurück”), in dem er u.a. auch gefragt wurde, ob “Henryk M. Broder Frau Hecht-Galinski als antisemitisch bezeichnen” darf. Worauf Avi Primor wie Radio Eriwan antwortete:

“Wenn es stimmt, dass Frau Galinski die Israelis mit den Nazis verglichen hat, dann finde ich das als äußerst grotesk. Ich meine, um Israelis mit Nazis zu vergleichen, muss man schon vollkommen bekloppt sein. Aber ob das mit Antisemitismus verbunden ist, glaube ich nicht. Ich glaube, dass Leute übertreiben. Sie verstehen nicht, was sie da antun. Die machen aus dem Nazismus etwas Alltägliches und damit schießen sie sich selber ins Knie. Aber mit Antisemitismus muss es nicht unbedingt verbunden sein, obwohl Antisemiten solche Argumente benutzen. Das stimmt! Aber das muss nicht Frau Galinski sein.” http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/837097/

Etwas später wollte der Moderator wissen: “Verwendet Broder den Vorwurf des Antisemitismus, was er ja schon häufiger getan hat, auch, um zu unterbinden, dass jemand die israelische Politik gegen die Palästinenser kritisiert?” Worauf Primor wieder mit einem eisklaren “Jein” antwortete: “Ich weiß nicht, wie Broder das macht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass in Israel viele Leute das machen, weil es bequem ist…” 

Primor selbst macht es sich natürlich nicht bequem. Er ist ein Meister des “ja, aber”, er umkurvt Fragen so, wie ein Go-Kart-Fahrer Hindernisse auf der Rennbahn. Er legt sich nicht fest, aber er weiss, was seine Interviewer von ihm hören wollen. Einen Tag nach dem DLF-Interview äußerte er sich in der FAZ zu dem Verfahren, das “die Tochter” gegen mich angestrengt hatte: “Falscher Alarm - Avi Primor hat die Antisemitismusvorwürfe kritisiert, die der Publizist Henryk M. Broder gegen Evelyn Hecht-Galinski erhebt…” http://www.abisz.genios.de/r_sppresse/daten/presse_faz/20080827/faz.FD1200808271904310.html

Inzwischen hat “die Tochter” dreimal, sowohl vor dem Kölner LG wie dem OLG, den Kürzeren gezogen. Das Verfahren ist nicht so gelaufen, wie Avi Primor es gehofft hatte. Daraufhin setzten bei ihm Erinnerungsstörungen ein: “Ich kenne den Herrn Broder nicht. Ich weiß nicht, was er schreibt und kann dazu nichts sagen.” Was für ein Würstchen im Maßanzug.

Falls Sie wissen möchten, wie alles begann, warum Avi Primor bei der Nennung meines Namens Sodbrennen bekommt, dann lesen Sie dies hier:
“Nach der Sendung bekam ich ein symbolisches Honorar im Gegenwert von 250 kleinen Beukelaer-Rollen, quttierte den Empfang (“Schmerzensgeld erhalten”), raste nach Hause, stellte mich unter die Dusche und schrieb gleich einen kurzen Text für den Tagesspiegel über die Sendung, wie ich sie erlebt hatte - ob z.B. Avi Primor im Studio ein Toupet trug oder nicht. Ich behauptete nicht einmal, er habe eines getragen, ich räsonierte nur darüber, ob es eines gewesen sein könnte. Man wird ja noch mal fragen dürfen. Später hörte ich von gemeinsamen Freunden, Avi Primor sei darüber sehr ungehalten gewesen.”
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/avi/

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