Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

15.06.2010   00:06   +Feedback

Die edlen Wilden

Vor fast drei Jahren unternahm Knut Mellenthin den Versuch, mein Buch “Hurra, wir kapitulieren!” zu besprechen. Mellenthin gehört zu den politischen Bruchpiloten der Republik, für die der Islam der letzte Strohhalm ist, an den sie sich klammern. Sie hoffen, dass die Moslems blöde genug sein könnten, es dem “System” heimzuzahlen, dass die Mellenthins an der Durchsetzung ihrer Ideen gehindert hat. Die “edlen Wilden” sollen das schaffen, was dem KB, dem KBW, der KPD, der KPD/AO, der SEW, der DKP und anderen revolutionären Massenorganisationen nicht gelungen ist: Die Transformation der Gesellschaft aus einer schlechten Demokratie in eine gute Diktatur.
Mellenthins Rezension ist so bescheuert wie fast alles, das er vollnüchtern von sich gibt. Nur der letzte Satz hat es in sich:
“(Broder) hat in Wirklichkeit gar keine persönliche Vorurteile gegen Moslems. Er spielt “aus übergeordneten Interessen” den Ausländerfeind, ohne wirklich einer zu sein. Das macht sein Tun nicht besser, sondern schlimmer.”
Mellenthin liebt nicht nur die edlen Wilden, er ist selber einer. So wie auch Heinrich Hiimmler einer war, der in seiner Posener Rede den von Idealen und Idealismus geleiteten Täter dem gegenübergestellt hat, der nur interessengetrieben handelt. Noch heute rechnen es bürgerliche Idealisten wie Claus Peymann Terroristen wie Christian Klar (neun gemeinschaftlich begangene Morde und elf Mordversuche) hoch an, dass sie sich nicht persönlich bereichert haben.
Aus der Sicht eines Idealisten kann man so ziemlich jedes Verbrechen begehen, wenn man dabei darauf achtet, dass es nicht zu einem Geschäft wird. 
So wie Stalin und Hitler gestern. Und Pol Pot und der Irre aus Pjöngjang heute.
Israelis haben dagegen keine Chance, in die Hall of Fame des Idealismus aufgenommen zu werden. Denn sie handeln aus materiellen Interessen, wie es die Juden schon immer getan haben. In der letzten Ausgabe der Wochenzeitung “Freitag”, die aus der Fusion zweier Drecksblätter entstanden ist, kann man Folgendes lesen:
“Fürchtet die israelische Regierung den Frieden, wie der Teufel das Weihwasser, weil ein Friedensabkommen mit Palästina schlagartig die horrende Überschuldung des israelischen Staates aufdeckt und der militärisch- industrielle Komplex in Israel monetär nicht mehr plausibel vermittelbar, geschweige denn finanzierbar wäre?”
Ja, so muss es sein. Während der K.v.D. des Freitag für Gottes Lohn und einen Händedruck seines Verlegers arbeitet, kommt es den Israelis darauf an,
ihren “militärisch-industriellen Komplex” am Laufen zu halten, koste es, was es wolle. Deswegen lehnen sie alle Friedensabkommen ab, die die Friedensaktivisten der Hamas mit selbst gebastelten Raketen über die Grenze schiessen.
Ganz ohne ‘übergeordnete Interessen’ kommen auch die Autoren der FR aus, die nur deswegen mit dem Zentralorgan der DKP, UZ, nicht fusioniert ist, weil das Ergebnis dann unter dem Namen FURZ hätte vermarktet werden müssen. In einem Beitrag über den “inneren Reichsparteitag” der ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein kommt der Verfasser am Ende plötzlich und unerwartet auf mich zu sprechen:
“Eigentlich könnten sich nun alle wieder dem Fußball zuwenden. Aber einer fehlt ja noch: Henryk großes M Broder. Der muss uns unwiderlegbar erklären, warum Müller-Hohensteins zerebraler Fackelzug dufte, Kritik daran hingegen Ausdruck eines verschwiemelten Antisemitismus der dumpfen deutschen Linken sei. Nu aber flugs in die Puschen, Broder!”
Unter den vielen Dingen, die mich nicht interessieren, steht Sport an erster Stelle (von Schlammcatchen der Frauen abgesehen). Ob eine ZDF-Moderatorin bei einem Fussballspiel einen “inneren Reichsparteitag” oder einen seriellen Orgasmus erlebt, geht mir vollkommen am Arsch vorbei. Und den würd ich mir nicht einmal im Busch mit der FR abwischen.

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