Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

09.12.2006   00:47   +Feedback

Inside The Beltway - 3

Eine gute Adresse ist die halbe Miete. Wer am Potsdamer Platz wohnt, der braucht keine Hermes-Krawatten, die Adresse ist fein genug. Auch der Dupont Circle ist eine Lokation, mit der man angeben kann, ohne zu protzen. Und 1755 Massachusetts Avenue liegt nur eine Fußminute vom Dupont Circle entfernt, dem Herzen der Hauptstadt. Hier residiert das American Institute for Contemporary German Studies, kurz AICGS. (http://www.aicgs.org/about/scholars/broder.aspx) Gleich nebenan ist die Brookings Institution, gegenüber auf der anderen Seite der Mass Ave die Congressional Black Caucus Foundation. Fast alle großen Stiftungen und Institute haben sich rund um den Dupont Circle niedergelassen, was damit zu tun hat oder dazu geführt hat, dass es rund um den Dupont Circle die größte Dichte an Cafes gibt - Amsterdam und Tel Aviv ausgenommen. Am bekanntesten ist das Kramerbooks and Afterwards Café (http://www.dailycolonial.com/go.dc?p=3&s=91), eine Mischung aus Buchladen und Restaurant, das man nur mit gefesselten Händen und ohne einen Cent oder eine Kreditkarte in der Tasche betreten sollte. Der Laden ist nicht sehr schick, aber es grenzt ans Unmögliche ihn zu verlassen, ohne etwa gekauft zu haben. Nebenan ist ein Lambda Rising Bookstore (http://www.lambdarising.com/NASApp/store/IndexJsp), wo das schwule Herz alles bekommen kann, wonach es sich sehnt, sogar schwulen Weihnachtsschmuck. Und um die Ecke, in der Firehook Bakery, gibt es Croissants, wie man sie in Frankreich nur am 14. Juli bekommt. Kurzum: Wenn Washington, dann Dupont Circle.
Als ich heute mittag gut gelaunt in der Mass Avenue ankam, nach einem Bagel mit Eiersalat bei Pumpernickel’s Delicatessen (http://www.pumpdeli.com), wurde ich von einer Gruppe von Demonstranten begrüßt. Nanu, dachte ich, geht der Zürcher Zwergenaufstand jetzt in Washington weiter? Hört das denn nie auf? Aber die Demo galt nicht mir, sondern dem stellvertrenden israelischen Ministerpräsidenten Avigdor Lieberman, einem Hardliner, der allmählich in die Rolle des Buhmanns reingewächst, die früher Arik Sharon gespielt hat. Die Brookings Institution hatte ihn zu einem Vortrag nach Washington eingeladen, und die Demonstranten, etwa zwei Dutzend junge Leute und eine Handvoll Hausfrauen, hatten sich vor dem Brookings-Gebäude aufgestellt, um gegen “Apartheid, Racism and Ethnic Cleansing” in Palästina zu demonstrieren. Eine junge Frau hielt ein Plakat hoch, auf dem zu lesen war: “Carter got it right: Israel = Apartheid”,  eine vollkommen schwarz verhüllte Frau, von der nur die Augenpartie zu sehen war, hielt sich an einem Poster fest: “Brookings Promotes Israeli Terror”.  Derweil gingen die Leute bei Brookings rein und raus, niemand fühlte sich gestört oder belästigt. Ich packte meine kleine Nikon aus dem Rucksack, machte ein paar sehr schöne Fotos und versprach Bassam und Howeida, den Organisatoren der Demo, die Pics an die Coalition for Justice and Accountability zu mailen. Und morgen treffen wir uns vor dem Ritz-Carlton wieder, auf einer Demo, zu der das Antiwar Network aufgerufen hat. Ther’s never a dull moment in Washington, D.C.!

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