Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

17.05.2007   17:35   +Feedback

Alles, was wir schon immer über Philosemiten in Japan wissen wollten

Ich staune immer wieder, was manche Juden anstellen, um sich die Zeit bis zum nächsten Holocaust zu vertreiben. Sie diskutieren über “jüdische Identität” und die Frage “bleiben oder gehen?”, veranstalten Kulturwochen und Klezmer-Tage oder fordern Politiker, die einen NS-Juristen von einem Widerstandskämpfer nicht unterscheiden können, mal zum Gehen und mal zum Bleiben auf. Besonders anspruchsvoll treiben es die Akademiker, sie organisieren Konferenzen und Symposien zu Themen, die jeden Marsianer von einem Besuch der Erde abschrecken würden.
Vom 1o. bis zum 13. Juni findet im Alten Rathaus zu Potsdam eine Konferenz zum 65. Geburtstag von Julius H. Schoeps statt. Schoeps ist Professor für Neuere Geschichte (mit dem Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) und Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam. Außerdem gehört er dem PEN-Zentrum an und saß mal in der Repräsentantenversammlung der der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, die er aus Protest gegen den Durchmarsch der Russen-Fraktion verließ.
Dass Schoeps seinen 65 Geburtstag feiern will, nachdem er schon zu seinem 6o. Geburstag seine Lebenserinnerungen veröffentlicht hat (“Mein Weg als deutscher Jude”, 2oo3), wobei er sich ein wenig an Jakob Wassermann (“Mein Weg als Deutscher und Jude”, 1921) anlehnte, kann man verstehen. Die Emeritierung ist der absolute Höhepunkt im Leben eines jeden Akademikers. Muss es aber gleich ein dreitätiges Symposium sein, zu dem drei Dutzend Experten aus der ganzen Welt eingeflogen werden - von Budapest über Santa Cruz/california bis Bonn?  Denn das Thema der Konferenz ist “noch wenig erforscht”, man wolle daher “Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten” versammeln, “die sich mit Teilaspekten des Phänomens beschäftigt haben”, so soll “eine Gesamtschau des Phänomens ermöglicht werden”.
Eine Aufgabe, die keinen Aufschub duldet, denn es geht um das Phänomen “Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart”.
Es handelt sich offenbar um ein Phänomen, das Juden zu schaffen macht, seit sie Ägypten verlassen und sich auf den langen Marsch durch die Geschichte gemacht haben. Philosemitismus! Das war das Motiv der christlichen Kreuzfahrer, der Autoren der “Protokolle” und auch der Urheber der Nürnberger Gesetze. Heute werden der iranische Präsident, die Hamas und die Hisbollah vom Philosemitismus angetrieben, denn so lautet das Thema eines der Referate: “Philosemitismus und Antisemitismus - zwei Seiten einer Münze”. Auch die anderen Referate platzen geradezu vor Relevanz: “Philosemitismus in der Gruppe 47”, “The Ambiguity of Philosemitism in Japan”, “Philosemitismus und Antisemitismus - Auswüchse des gleichen judenfeindliches Ressentiments”.
Ob einer also daheim immerzu Klezmer hört und in seiner Badewanne gefillte Fisch züchtet oder ab und zu loszieht und ein paar Juden umlegt, kommt im Ergebnis auf das Selbe raus, es handelt sich um “zwei Seiten einer Münze” und “Auswüchse des gleichen judenfeindlichen Ressentiments”. Zwar ist kein Fall bekannt, da ein Philosemit einen Juden umgebracht hätte, aber für eine wissenschaftlich-äquidistante Stellungnahme spielt so ein Versäumnis keine Rolle.
Wenn also Philosemiten und Antisemiten aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, könnte man demnächst auch eine Konferenz darüber veranstalten, was Kannibalen und Vegetarier gemeinsam haben: eine sehr einseitge Art der Ernährung.

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