Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

03.05.2007   11:27   +Feedback

The Big Spender

Jörg Bremer berichtet in der FAZ über einen “symbolischen Versuch der Wiedergutmachung” am palästinensischen Volk durch einen jüdischen Philosophen:

Als einen “stellvertretenden, symbolischen Versuch der Wiedergutmachung” von Juden an Palästinensern bezeichnet der deutsch-jüdische Philosoph Ernst Tugendhat seine großzügige Spende an die Schule Talitha Kumi in Beit Jala bei Bethlehem. Mehrere Tage lang hat er sich in der palästinensischen Region aufgehalten. Talitha Kumi, eine Einrichtung des protestantischen Berliner Missionswerks, ist eine der herausragenden Oberschulen in den palästinensischen Gebieten.

Ernst Tugendhat, 1930 in Brünn geboren und im Exil groß geworden, erhielt 2005 als dritter Preisträger nach Claude Lévi-Strauss und Richard Rorty den mit 50 000 Euro dotierten Meister-Eckhart-Preis der Identity-Foundation. Hinter dem dubiosen Namen verbirgt sich ein deutscher Mäzen. Tugendhat überwies die Preissumme nach Palästina, wo sie der Leiter von Talitha Kumi, Dürr, für das Schulgeld verwenden wird, das arme Kinder aus den Flüchtlingslagern Aida und Daheische nicht aufbringen können. Tugendhat besuchte jetzt diese Kinder in den Lagern, reiste nach Hebron, Ramallah und Jericho. Zum Abschluss sagte er dieser Zeitung: “Wenn ich als irgendein Deutscher herkäme, könnte man mein Engagement auf die beliebigste Art interpretieren. Aber als Jude ist das schon eine Aussage.” Er sei “sehr zufrieden”, sein Geld für diese “gute Sache” gegeben zu haben, sagt der Emeritus der FU Berlin und Tübinger Honorarprofessor, dessen neuestes Buch “Anthropologie statt Metaphysik” (München 2007) zu intellektueller Redlichkeit mahnt.

Talitha Kumi legt besonderen Wert auf den Deutschunterricht; die Absolventen sollen an deutschen Universitäten studieren können. Aber gerade jetzt wieder machen es die israelischen Besatzer - trotz Zusicherungen der Regierung Scharon - schwer, ungehindert zum Schulareal oberhalb von Beit Jala zu kommen. Die Mauer wächst, und schon ist es nicht mehr möglich, von der Straße von Jerusalem nach Hebron direkt zur Schule abzubiegen.

Bei der Entgegennahme des Preises vor zwei Jahren hatte Tugendhat herbe Kritik an der zionistischen Landnahme geübt. “Die zionistischen Juden sind in Palästina nicht einfach eingewandert, sondern mit der erklärten Absicht, dort einen eigenen Staat zu gründen, eine Einstellung, die nur aus dem damaligen europäischen Superioritätsbewusstsein heraus zu verstehen ist.” Der Zionismus sei “von Anfang an eine nationalistische und daher potentiell aggressive Deutung des Judentums” gewesen und daher damals von der Mehrheit der Juden abgelehnt worden. Da man befürchten müsse, dass die israelische Siedlungspolitik auf die Annexion von Rest-Palästina hinauslaufe, müsse man sich fragen: “Soll es denn uns Juden nur möglich gewesen sein, der Vernichtung zu entgehen, indem wir das Schicksal der Vertreibung auf ein anderes Volk abwälzen?” Wie zu erwarten war, trug ihm die Rede heftige Kritik ein; sie wurde auch unpolitisch und naiv genannt.

Beim Abendessen in Beit Jala fällt es Tugendhat nicht leicht, seine Worte zu finden. Man müsse sorgfältig und genau formulieren, dürfe nicht in Augenwischerei verfallen, sagt der Philosoph. Die Jury hatte 2005 angemerkt: “Die Sorgfalt und Genauigkeit seines philosophischen Denkens sind ein notwendiges Korrektiv in einer Zeit, die auf rasche Lösungen fixiert ist.”

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