Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

23.07.2007   00:01   +Feedback

Einen Toten kann man nicht ermorden

Bundesaußenminister F.-W. Steinmeier verbringt einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit damit, die Freilassung von deutschen Bürgern zu managen, die als Geiseln genommen wurden. Zwischen den Entführungen gibt er Erklärungen ab, die Bundesrepublik lasse sich weder erpressen noch zu Zugeständnissen zwingen. So weit, so gut. Wenn es darum geht, Menschenleben zu retten, darf ein wenig geschwindelt werden.
Jetzt aber ist der Außenminister einen großen Schritt weiter gegangen. Zu dem plötzlichen Ableben einer deutschen Geisel in Afghanistan sagte er am Samstag:
“Wir müssen davon ausgehen, dass einer der entführten Deutschen in der Geiselhaft verstorben ist. Nichts deutet darauf hin, dass er ermordet wurde, alles weist darauf hin, dass er den Strapazen erlegen ist, die ihm seine Entführer auferlegt haben.”
Der 44 Jahre alte Mann ist sozusagen eines natürlichen Todes gestorben. Vielleicht hatte er was mit dem Herzen, war unsportlich oder hat das Klima nicht vertragen - tagsüber extreme Hitze, nachts klirrende Kälte. Da kann man schon mal kollabieren und den Geist aufgeben, wenn man aus einem Land am Rande des Golfstroms kommt. Von einem “Mord” zu sprechen, wäre vollkommen unangemessen, denn nach deutschem Recht zeichnet sich ein Mord dadurch aus, dass er “grausam” und “heimtückisch” sein und aus “niederen Beweggründen” begangen werden muss. Man kann den Entführern vieles nachsagen, nur keine “niederen Beweggründe”, denn sie haben keine Geldforderungen gestellt. Woher kommen dann aber die “Schussverletzungen im Kopfbereich”, von denen bald darauf berichtet wurde? Haben die Entführer auf die tote Geisel geschossen? Das ist unmöglich, denn so etwas machen Moslems nicht, es sei denn, es handelt sich um Amerikaner, die erst gelyncht, dann verbrannt und durch die Stadt geschleift und schließlich an Brückenpfeilern aufgehängt werden.
Es wird die Familie des toten Deutschen sicher trösten, dass der Mann nicht ermordet wurde. Die Frage, ob er noch leben könnte, wenn er nicht entführt und einigen “Strapazen” ausgesetzt worden wäre, werden sie sich im Interesse der deutsch-afghanischen Zusammenarbeit besser verkneifen. Außenminister Steinmeier selbst eilte nach der Pressekonferenz zur Lage der deutschen Geiseln in Afghanistan nach Flossenbürg, wo er an einer Feier zur Eröffnung der Gedenkstätte im ehemaligen KZ teilnahm. Er nannte das Lager einen “Ort der Schande”.
Im KZ Flossenbürg sollen etwa 3o.ooo Häftlinge ums Leben gekommen sein. Nichts deutet darauf hin, dass sie ermordet wurden, alles weist darauf hin, dass sie den Strapazen erlegen sind, die ihnen auferlegt wurden, zum Beispiel bei der Arbeit im Steinbruch oder weil sie nicht genug zu essen bekamen. Das belegen auch die Todesscheine, die in Flossenbürg, wie in anderen KZs, ausgestellt wurden. Die beliebteste Todesursache war: Herz- und Kreislaufversagen. Einige Tote hatten auch ein Loch im Kopf, aber das war ihnen erst nach dem natürlichen Ableben appliziert worden.

Siehe auch: Grußwort des Bundesaußenministers anlässlich der Eröffnung der Gedenkstätte Flossenbürg
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Presse/Reden/2007/070722-Flossenbuerg.html

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