Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

01.08.2007   10:46   +Feedback

Ein Schiff wird kommen…

Wir haben lange nichts mehr von den “menschlichen Schutzschildern” gehört, die vor über vier Jahren von überallher in den Irak reisen, um mit ihren Körpern Saddam Hussein und sein Regime vor den Angriffen der Alliierten zu bewahren. Es war die übliche bunte Mischung aus Exzentrikern in Filzpantoffeln, die man auf jeder Friedensdemo antrifft: zahnlose Rentner mit dem Drang zum Höheren, Hausfrauen, die schon so manchen Rasta auf Jamaica gerettet haben, Arbeitslose, die sich nicht einmal Mallorca leisten können, und Veteranen, die zuletzt mit der Waffen-SS in Norwegen unterwegs waren. Nun, da es darauf ankäme, die Schiiten vor den Sunniten und die Sunniten vor den Schiiten zu beschützen, sitzen die “menschlichen Schutzschilder” lieber daheim in Castrop-Rauxel und studieren TUI-Prospekte für Wellness-Oasen in der Sächsischen Schweiz.

Aber es gibt noch Ausnahmen. Demnächst soll ein Schiff von Australien nach Gaza aufbrechen, mit 7o Aktivisten aus 13 Ländern und Hilfsgütern im Wert von 25.ooo.- USD an Bord.  http://www.greenleft.org.au/2007/717/37247

Warum die Reise nicht in Athen, Casablanca oder Larnaka losgeht, was die Kosten senken würde, kann man nur ahnen. Die Aktivisten brauchen eben etwas Zeit, um sich näher zu kommen und einander kennenzulernen. Es sind Lehrer, Studenten, Musiker und Politiker, die offenbar weder lehren noch studieren noch arbeiten müssen und sich lange Törns leisten können. Der Superhit ist aber: An der Reise nehmen auch “holocaust survivors” teil, die schon so manche Strapaze überlebt haben. Namentlich genannt wird die 82jährige Heddy Epstein, deren Eltern in Auschwitz ermordet wurden. Sie sagt, ihr Erweckungserlebnis seien sie Massaker von Sabra und Shatila im Jahre 1982 gewesen.  “I needed to find out what and why it happened; what preceded it, what had taken place since 1948. The more I learned and the more I understood, the more I began to speak out publicly against the policies and practices of the Israeli government and military.”

Wenn es so wäre, müßte sie eigentlich in den Libanon reisen und dort mit Falange-Milizionären reden, die 1982 in Sabra und Shatila dabei waren. Aber Hedy ist schon 82 und “Gaza” klingt ja so ähnlich wie “Sabra”. Das einzige, worauf es ankommt, ist: Hedy ist eine Holocaust-Überlebende und verleiht der Gaza-Mission den Weihrauch des Koscheren. Früher war “Holocaust-Überlebender” ein Schicksal, heute ist es eine PR-Nummer.

Bleibt nur noch die Frage, warum die Lehrer, Studenten, Musiker, Politiker und “holocaust survivors” nicht in den Kongo fahren, wo es derzeit ziemlich drunter und drüber geht, wie wir gestern auf SPIEGEL online lesen konnten:

“Die Situation in Süd-Kivu sei die schlimmste, die sie in ihrer vierjährigen Tätigkeit als Uno-Sonderermittlerin gesehen habe, berichtete die Expertin Yakin Ertürk. Für die meisten Verbrechen sind demnach Rebellengruppen verantwortlich, die nach dem Völkermord in Ruanda in den neunziger Jahren in den Kongo geflüchtet sind.
Die Gräueltaten gingen weit über Vergewaltigungen hinaus, erklärte Ertürk nach einer elftägigen Kongo-Reise und berichtete von schockierenden Vorfällen. “Frauen werden brutal von mehreren Männern vergewaltigt, oft vor ihren Familien”, erklärte die Uno-Expertin. Oft würden Männer mit vorgehaltenen Gewehren gezwungen, sich an ihren Töchtern, Müttern und Schwestern zu vergehen. Nach Vergewaltigungen würden die Frauen häufig in ihre Genitalien geschossen oder gestochen. Einige seien monatelang wie Sklaven gehalten und gezwungen worden, Exkremente oder das Fleisch ermordeter Angehöriger zu essen.” http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,497476,00.html

Verglichen mit der Situation im Kongo ist die Lage in Gaza das reine Paradies, vor allem seit die Hamas dort für Ruhe und Ordnung sorgt. Warum also reisen Hedy und ihre Freunde nach Gaza und nicht in den Kongo? Erstens, weil sie zwar abenteuerlustig aber nicht lebensmüde sind und zweitens, weil sich kein Schwein dafür interessieren würde, sollten sie plötzlich vor der westafrikanischen Küste aufkreuzen. Es würde auch kein Hahn nach ihnen krähen, wenn sie von den “Rebellen” zum Nachtisch verspeist würden. Deswegen dampfen sie lieber Richtung Gaza, mit Hedy, der Holocaust-Überlebenden als Glücksbringer an Bord, die auch diese Strapaze überleben wird.

 

 

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