Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

02.09.2007   18:14   +Feedback

Das ist nicht mein Israel! (7)

Man kann sich über vieles in Israel aufregen, am schlimmsten aber ist, dass man mitten in der Nacht aufstehen muss, wenn man mit EL-AL nach Europa fliegen will. Es gibt nur noch eine andere Gesellschaft, die ihre Passagiere ebenso mißhandelt: Icelandair. Zwar dauern die Flüge sowohl von Tel Aviv wie Reykjavik nur drei bis vier Stunden, aber der Tag ist trotzdem versaut. Um vier Uhr morgens verließ ich mein Loft in Yaffo und nur eine Stunde später hatte ich alles geschafft: Die Taxifahrt, das check-in, die Paßkontrolle - in Rekordzeit. Früher dauerte allein das Anstehen in der Schlange länger, bis man an der Reihe war und danach gefragt wurde, ob man “Familie” im Land hätte, worauf ich immer antwortete, meine Familie wäre in Auschwitz. Worauf dann die pointenmäßig überforderte Security-Frau den Supervisor holte und die ganze Prozedur von vorne begann. Die einzige Möglichkeit, das Ganze zu beschleunigen, war, sich eine Kippa aufzusetzen; man durfte nur nicht vergessen, vorher die Kefiya abzunehmen.
Ich hatte also über eine Stunde Zeit und schaute mich in der Abflughalle um. Ohne dass ich es merkte, zog es mich in ein Geschäft, über dem in großen Neonbuchstaben das Wort SWEETS stand. Ich rechnete mit dem üblichen Sortiment: Schokolade von Elite, Halva von Telma und Datteln vom Toten Meer. Als es noch die Firma “Lieber” gab, gab es auch den Spruch: “Lieber keine Schokolade als die von Lieber”. Nur die volkseigene “Schokolade”, die in der DDR aus Rüben hergestellt wurde, war noch schlechter.
Und was sah ich da? Nicht nur das Sortiment von Max Brenner, der seine Schoko-Delikatessen von Tel Aviv aus in die ganze Welt exportiert, nicht nur die üblichen Versuchungen wie Milka, Toblerone, Kitkat, KinderBueno, Amicelli und Bacetti, sondern auch Goldkenn-Grand-Marnier-Trüffel aus der Schweiz, Mirabell-Mozartkugeln aus Österreich und Godiva-Pralines aus Belgien. Wenn Herzl das sehen könnte! Selbst der große Visionär hätte an eine Fata morgana geglaubt. Aber das war noch nicht alles:  Schokoladen von Anthon Berg aus Dänemark: Pflaume in Madeira. Erdbeere in Champagner. Kirsche in Rum. Aprikose in Brandy. Traube in Muskateller.
Wegen Anthon Berg bin ich früher immer über Kopenhagen geflogen, auch wenn ich nur von Berlin nach Hamburg wollte. Als ich nun das Anthon-Berg-Sortiment im Tel Aviver Flughafen sah, wurde mir klar: Israel ist reif für den Frieden. Lieber Anthon Berg Creamy Mint im Kühlschrank als eine Knarre in der Tasche oder ein Haus in Hebron. “Schalom achschaw!” war gestern. “Schoko achschaw!”  ist heute. Anthon Berg ist für alle da.

Siehe auch:
http://beer7.wordpress.com/2007/09/03/elal-fluege-von-israel-nach-europa/

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