Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

11.09.2007   13:39   +Feedback

Frankfurter Würstchen und die Frage der unmotivierten Gewalt

Thomas von der Osten-Sacken über die neuen Spontis der Main-Metropole:

In Frankfurt wird ein Rabbiner auf offener Straße niedergestochen, selbst die Polizei muss inzwischen von einem “antisemitischen Hintergrund” ausgehen und Frankfurts Dichter und Denker debattieren weltvergessen vor sich hin: So rät Eva Demski zu “besorgter und aufmerksamer Gelassenheit“.

Klingt prima, fasst so, als wäre die Schriftstellerin Demski zuvor in die Zone gefahren, um ihr Ausdrucksvermögen bei dortigen Bürgermeistern zu schulen.

Ganz wo anders ist der Harry Nutt in die Schule gegangen, der im FR-Kulturteil alle Register der postmodernen Diskursivität zieht:

“Dass junge Erwachsene deutscher Herkunft an der Schwelle zum Terrorismus islamistischer Provenienz stehen oder sie bereits überschritten haben, erschwert die Zuordnung und Deutung von ins Monströse tendierenden Gewalttaten, entzieht sie aber nicht vollends der Identifizierbarkeit.”

Dann kommt ein bisschen Messerpsycholgie ins Spiel:

“Bei aller Feigheit ist die körperliche und emotionale Erregtheit eine wichtige Voraussetzung für einen Angriff mit dem Messer. Schreibt man der geplanten Tat Kalkül, Abstand und Präzision zu, so überwiegt beim spontanen Angriff ein Gefühl für den entscheidenden Augenblick.”

Denn:

“Mit dem Messer kann man für eine ideologisch-religiöse Idee (wie im Fall der Ermordung Theo van Goghs mit hoher symbolischer Aufladung) antreten oder auch bloß für die verletzte Ehre. An einem Berliner Badesee wurde kürzlich ein Passant niedergestochen, weil er sich in einen Streit über zurückgelassenen Müll eingemischt hatte. Ideologischer Größenwahn und eine aus dem Ruder laufende Alltagssituation greifen bisweilen auf die gleichen Waffen zurück. Ohne Zweifel genießt jedoch der Typus des Waffenträgers, dessen Bedeutung Ernest Gellner in seinen Studien über das Leben im Islam eindrucksvoll analysiert hat, eine erstaunliche Aktualität.”

Mit dem Messer kann man unter anderem auch gegen die Butter im Kühlschrank antreten oder gegen das Steak bei Maredo. Und ein Streit am Berliner Badesee, die “Ehre” über zurückgelassenen Müll und jene des Islamisten ähneln sich strukturell ganz sicher ebenso wie eine antisemitischen Attacke im Frankfurter Westend, die leicht hätte tödlich hätte enden können, dem Streit zwischen Nachbarn.

Wichtig alleine ist allerdings dem Nutt, nachdem er alles, was ihm über Messer eingefallen ist, aufgeschrieben hat - außer, dass sie Phallussymbole laut Freudscher Traundeutung sind -,  dieser Satz am Ende seines Diskursgeschwurbels:

Die Sprache der Ausgeschlossenen ist nicht immer gleich zu vernehmen.

Messerattacken auf Rabbis auf offener Straße sind Kommunikationsversuche der sozial Exkludierten, in einer “sich immer stärker verfugende Gesellschaft“. Statt also etwas zu unternehmen, sollte man a) den Dialog suchen b) die Gesellschaft entfugen c) “besorgte Gelassenheit” zeigen und d) um die Multikulturalität Frankfurts nicht zu gefährden vielleicht in Zukunft glaübige Juden bitten, Baseballmützen zu tragen, damit sie nicht sozial Ausgeschlossene zu Messerattacken provozieren und so dem Image Frankfurts als weltoffene Stadt Schaden zufügen.

Siehe auch:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1207526
http://www.fr-online.de/_inc/_globals/print.php?em_cnt=1207692&em_ref=/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/frankfurt/

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