Man muss nicht unbedingt in der Waffen-SS gedient haben, um später als moralisches Gewissen der Nation Karriere zu machen. Es genügt schon, als Richtkanonier bei der Artillerie die Haubitze bedient zu haben und sich 65 Jahre später an den “Schubkurbelflachkeilverschluss und Rohrrücklauf-Fahrbremse” erinnern zu können, um in der Friendensbewegung einen Logenplatz zugeteilt zu bekommen. Das Interview, das HER der taz gegeben hat, steht für ein Phänomen, das Hermann Lübbe als “deutschen Sündenstolz” beschrieben hat. Der Übergang vom Richtkanonier der Wehrmacht zum Wortführer der Friedensbewegung vollzieht sich ebenso sauber und organisch wie der vom Täter zum Opfer der deutschen Geschichte, das noch immer unter Alpträumen leidet, während die Rssen, die es erwischt hat, in Frieden ruhn. Ja, man muss schon im Blut russischer Soldaten und Zivilisten gebadet haben, um zu der Einsicht zu kommen, dass im Krieg “eine Verrohung statt(findet), die Abscheu und Mitleid reduziert”. Eine tolle Erkenntnis, vor allem für einen Psychoanalytiker. Nur noch übertroffen von der Feststellung, dass es Bush ist, der “einen nuklearen Holocaust an die Wand (malt)”, Bush und nicht etwa Ahmadinejad, den HER bei seinen Betrachtungen über das manichäische Weltbild nicht einmal erwähnt. Denn auch A. ist genau genommen nur ein Richtkanonier, nur dass seine Projektile stärker sind und weiter fliegen als die von HER. Worauf der “große alte Mann” der deutschen Friedensbewewgung ebenfalls keinen Gedanken vergeudet, das ist die Tatsache, dass die Vernichtungslager in der Etappe nur so lange arbeiten konnten, wie er und seine Kameraden es an der Front krachen ließen. Damals kämpfte HER für das Vaterland, heute verteidigt er sein unheilbar gesundes Gewissen. Ein Volk, das solche Friedenskämpfer hat, braucht keine Kanoniere mehr.

http://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2007%2F10%2F26%2Fa0106&src=GI&cHash=f86c0d700d
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Horst-Eberhard_Richter