Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

11.12.2007   22:04   +Feedback

The Joy of Return 10

Eine Stadt zu besuchen, in der man zehn Jahre gelebt hat, ist wie ein Wiedersehen mit einer Ex-Geliebten. Man kennt sich, aber nichts ist mehr so, wie es einmal war. Jerusalem war mal die langweiligste Haupstadt der Welt, es gab eine Handvoll Cafes, ein paar Suppenküchen, die Hauptpost, das King David und die Cinemathek. Wer mehr wollte, der mußte nach Tel Aviv fahren. Alles war klein, überschaubar und improvisiert. Freitagmittag, vor Schabbatbeginn, traf man sich auf der Ben Jehuda - im Atara oder bei Finks, dann wurden die Bürgersteige hochgeklappt und die Lampen ausgemacht. Am Samstagabend wachte die Stadt wie aus einer Narkose wieder auf. Heute ist Jerualem 24/7 im Betrieb. Es gibt Geschäfte und Lokale, die alte Jerusalemer nur aus amerikanischen TV-Serien kennen. Die Hauptstraßen wurden verbreitert, die Bürgersteige befestigt, Busse und Taxen fahren auf eigenen Spuren. Wildes Parken ist unmöglich. Rund um das YMCA werden Luxusquartiere gebaut, gegenüber dem Jaffa-Tor, durch das Kaiser Wilhelm II bei seiner Palästinareise 1898 in die Altstadt einritt, entsteht eine 5oo Meter lange Shopping-Mall, Mamilla. Dem Allmächtigen sei Dank, es gibt noch das alte Beit Ticho in der Rav Kook und das Pinati in der King George.
An der Ecke Rav Berlin und Gaza hat ein junger Mann namens Barak eine Garküche hingestellt. Sie heißt “From Gaza to Berlin”. Außer Humus und Falafel serviert er auch die scharfe und die saure Kube-Suppe, eine kurdische Spezialität, die süchtig macht. Die Suppentöpfe stehen auf Primus-Kochern, mehr als acht Gäste passen nicht in die Hütte. Weiter stadteinwärts, auf einer Brache zwischen der Bethlehem und der Hebron, wo früher Altmetall abgeladen wurde, steht das Colony, das absolute Gegenteil zu Baraks Garküche: eine große Halle mit einer langen Theke, schönen Möbeln und einer wohldurchdachten Speisekarte. Das Beste aber sind die jungen Frauen, die im Colony bedienen. Wer bei ihrem Anblick nicht Zionist wird, dem ist nicht zu helfen. Zweitausend Jahre Beten (“Nächstes Jahr in Jerusalem”) und Warten auf den Messias waren nicht vergeblich. Und plötzlich versteht man, warum die Palästinenser ihr Recht auf Rückkehr nicht aufgeben wollen.

 

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