Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

13.01.2008   20:30   +Feedback

Chanukka und Chanacha

Im Coffee Shop von Barnes & Noble. Eine ältere Frau stellt sich in der Schlange an, einen Pappbecher in der Hand. Als sie an der Reihe ist, will sie „hot water“ haben. Der junge Mann hinter der Theke greift nach einem B&N-Becher. „Ich hab meinen eigenen Becher mitgebracht“, sagt die Frau. Der junge Mann nimmt ihren Becher, gießt ihn mit heißem Wasser voll. Die Frau greift einen Teebeutel aus ihrer Handtasche, tunkt ihn in den Becher und geht an ihren Tisch zurück. Zwei Stunden später sitzt sie immer noch da,  einen Stapel Bücher vor sich.

An der Kasse von Food Emporium. „You have a customer card?“, fragt die Kassiererin. Ich habe keine. „Wait please“, sagt die Kassiererin, verschwindet kurz und kommt mit einer „customer card“ zurück, die sie sich vom „supervisor“ geliehen hat. Und schon gibt’s zehn Prozent Rabatt für den cream cheese.

Im „West-Side-Judaica“-Laden an der 83. Straße. Bücher, Menoras, Mezuzas, Kalender, Glückwunschkarten und jede Menge jüdischen Kitsch, darunter eine Chanukkia in Form einer New Yorker Fire Engine für 29.95. Chanukka ist seit vier Wochen vorbei, es ist, als würde man im Januar einen Weihnachtsbaum kaufen oder einen Osterhasen im August; ich will eine Chanacha, einen Nachlass, haben. „Chanukka ist nicht vorbei“, sagt der Chassid hinter der Theke, „Chanukka liegt vor uns, nur noch elf Monate“. Und deswegen gibt’s keine Chanacha. Gamarnu.

 

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