Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

06.01.2008   17:05   +Feedback

Seinfeld and the City - 2

Wir steigen an der 72. Straße in den Express, fahren bis zur 96., dann weiter mit dem Local bis zur 110. An der Ecke 111. und Broadway legen wir eine Gedenkminute ein: Hier habe ich nach dem Fall der Mauer ein knappes Jahr gewohnt. Das Moon Palace nebenan, wo man für drei Dollar lunchen konnte, ist schon lange weg, auch der kleine Bagelladen gegenüber ist nicht mehr da. Aber Tom’s Restaurant, 112. und Broadway, gibt es noch, gelobt sei der Herr! Millionen kennen die Fassade, denn Tom’s ist der Diner, in dem sich die Seinfeld-Gang trifft: Elaine, Jerry, George und Kramer. http://en.wikipedia.org/wiki/Tom’s_Restaurant_(Manhattan) Drinnen sieht es natürlich ganz anders aus, es ist eng und die Kellnerinnen sind erheblich älter. Unsere heißt Eli und kommt aus Bolivien. Natürlich kennt sie Jerry, er kommt ab und zu vorbei und bestellt einen Tuna-Salad. Ein netter Mann! Der Laden ist voll, denn inzwischen steht Tom’s in jedem Reiseführer. Paare und Familien bekommen eine Booth, einzelne Besucher werden an die Bar gesetzt. Jose steht an der Tür und führt eine Gästeliste. Und wo man hinschaut, hängen Seinfeld-Devotionalien: Bilder, Szenenfotos, Autogrammkarten. Das Essen ist okay, aber die Pastrami kann einem Vergleich mit der bei Katz’s nicht standhalten.

Wir beschließen, zu Fuß zurückzugehen. Normalerweise braucht man für 5o Blocks eine gute Stunde, wir brauchen drei, weil wir wie Billardkugeln ständig die Seite wechseln. Alex bleibt vor jedem Elektronik-Laden stehen, ich vor jeder Bäckerei. Etwa in der Mitte der Strecke, zwischen der 93. und der 94., legen wir eine Pause ein, bei Europan Bakery Cafe. Der Marmorkuchen ist ausgezeichnet. Dann geht’s weiter, bis Zabar’s auf der rechten Seite auftaucht, das feinste Delikatessen-Geschäft von New York. Hier nichts zu kaufen, wäre eine Sünde, die einem nicht vergeben wird, und wenn es nur eine Flasche Odwalla-Karottensaft ist, es muss sein.

Kurz vor der 72. Straße ist wieder eine Gedenkminute fällig. 2121 Broadway, hier arbeitete im zweiten Stock neben einer Ballettschule die Redaktion des Aufbau. Die Mitarbeiter waren zwischen 7o und 9o Jahre alt, das Durchschnittsalter der ganzen Redaktion wurde freilich durch die vielen Praktikantinnen aus Deutschland erheblich gesenkt. So kam Leben in die Sülze und jeder Besuch in der Redaktion war mit einer Entdeckung verbunden. Einmal fanden Eike und ich dort auf einem Fensterbrett unter einer dicken Staubschicht Unterlagen aus dem „Kulturbund“, die wir sofort sicherstellten.

Vorbei am Ansonia-Building, wo „weiblich, ledig, jung sucht…“ gedreht wurde (http://www.new-york-gallery.com/de/galleries/50-upper-west-side/421-ansonia-building.html?PHPSESSID=186d11421376a1a4168a3e742257f63f),  und schon sind wir wieder daheim. Pünktlich zur nächsten Folge von Seinfeld, diesmal auf tbs. Elaine, Jerry, George und Kramer fahren in die Hamptons.

 

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