Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

02.03.2008   12:22   +Feedback

Misha -“Eine außergewöhnlich wahre Geschichte”

Im Sommer 1996 bekam ich von einer Freundin aus Boston einen Zeitungsausschnitt zugeschickt, in dem eine irre Geschichte erzählt wurde: Wie ein kleines Mädchen, dessen Eltern von den Nazis verschleppt worden waren, auf der Suche nach ihren Eltern durch halb Europa herumirrt, dabei mit Wölfen zusammen lebt und alle Gefahren überlebt, darunter auch einen Besuch im Warschauer Ghetto. Inzwischen lebte die Frau bei Boston, hatte ihre Erinnerungen aufgeschrieben und trat als “Zeitzeugin” vor Schülern und als “Survivor” in Synagogen und christlichen Gemeinden auf. Ich verschaffte mit die Adresse der Frau, machte mit ihr einen Termin aus und flog nach Boston. Dort wurde ich nicht nur von “Misha” sondern auch von ihrer Verlegerin, ihrer Agentin und ihrer Anwältin empfangen. Sie legten mir eine “Erklärung” vor, in der ich mich verpflichteten mußte,  meinen Text vor dem Erscheinen vorzulegen. Erst danach waren sie bereit, sich mit mir zu unterhalten. Ich besuchte “Misha” in ihrem Haus und ließ mir ihre Geschichte erzählen. Sie stank vom ersten bis zum letzten Wort. Es war offensichtlich, dass die Frau ein Psycho-Problem hatte und sich die Rolle ihres Lebens ausgedacht hatte. Zu dieser Zeit war die Geschichte des Binjamin Wilkomirski schon veröffentlicht aber noch nicht aufgedeckt.  http://de.wikipedia.org/wiki/Binjamin_Wilkomirski Auch “Misha” wollte mit ihren “Memoire of the Holocaust Years” in die Hall of Fame Einzug halten. Stolz erzählte sie, wie viele Übersetzungen schon in Arbeit wären und dass Disney die Geschichte verfilmen wollte.
In Deutschland sollte das Buch im Diana-Verlag, der sich auf Unterhaltungsliteratur spezialisiert hatte, erscheinen. Freilich, dem damaligen Diana-Verleger war es nicht recht, dass der SPIEGEL eine Geschichte über das Buch machen wollte, und so versuchte er mit allerlei Kniffen, die Geschichte zu verhindern, was ihm freilich nicht gelang. Am 9. Dezember 1996 stand die Geschichte im Blatt. “Verliebt in eine tote Kobra”
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument.html?id=9133130&top=SPIEGEL&suchbegriff=broder&quellen=%2BBX%2CWIKI%2C%2BSP%2C%2BMM%2CALME%2C%2BMEDIA&vl=-100
Danach war Ruhe im Karton. Diana nahm das Buch aus dem Programm.
Nur zwölf Jahre später steht defintiv fest, dass die Geschichte ein Fake war. Und alle wundern sich: Wie hat es “Misha” geschafft, so viele Menschen hinters Licht zu führen? Wie kann so etwas passieren?

http://www.boston.com/ae/books/articles/2008/02/29/author_admits_making_up_memoir_of_surviving_holocaust/
http://news.yahoo.com/s/ap/20080229/ap_on_re_us/holocaust_book_hoax
http://www.thebostonchannel.com/news/15448626/detail.html
http://www.cbc.ca/arts/books/story/2008/02/29/jewish-memoir-wolves.html?ref=rss
http://www.liberation.fr/actualite/monde/313032.FR.php?rss=true&xtor=RSS-450
http://edition.cnn.com/2008/SHOWBIZ/books/02/29/holocaust.bookhoax.ap/index.html?eref=edition
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,538651,00.html

Bleibt noch eine Frage: Wie geht es dem Aachener Friedenspreis, Prof. Dr. Reuven Moskowitz und seiner Doktorarbeit?

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