Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
02.04.2008 20:11 +Feedback
Es gibt zwei Begriffe im deutschen Sprachschatz, die mich immer fasziniert haben: „Mahlzeit“ und „Feierabend“. Ich habe nie verstanden, wie sich halbwegs normale Menschen ab 11 Uhr früh mit „Mahlzeit“ begrüßen können, statt sich einen guten Morgen oder einen guten Tag zu wünschen. Noch rätselhafter fand ich „Feierabend“: Muss man denn am Abend feiern? Kann man nicht einfach nichts tun?
Was Feierabend bedeutet, das bringt die Pop-Gruppe „King Orgasmus One Aka Imbiss Bronko“ auf den Punkt: Saufen, baggern, ficken.
Zuhause ist es kacke,
ich brauch Urlaub und ’ne Palme.
Hab die Badehose an
und mein Sack is voller Sand.
Ich hab Strand im Schuh und ein Ballermann-Hut,
ich habe Rhythmus im Blut und tanze nur mit einem Fuss.
Ich stehe an der Bar und lass den Tresen nicht mehr los,
dann seh ich einen sexy Arsch und raff mich wieder hoch.
Ab in’s Getümmel,
ich will jetzt tanzen, bin jetzt notgeil.
Ich will baggern wie ein Irrer,
fasse an und habe hunger.
Tanga, Tanga, hier trägt jede Frau ein Tanga.
Länge Nächte für die Pornomafia.
Bronko will kein Obst, Bronko braucht jetzt Fleisch,
Bronko braucht jetzt Abwechslung und reicht die Scheidung ein.
Chorus:
Ich hab Feierabend: Mein Urlaub eingetragen!
Feierabend: Im Urlaub geh ich baden.
Urlaub, Urlaub: Ich feier jede Nacht.
Urlaub, Urlaub: Und die Sonnencreme eingepackt.
Natürlich geht es auch anspruchvoller. Man kann nach bzw. im „Feierabend“ bei zugezogenen Gardinen daheim sitzen und „Rezensionen“ verfassen, worauf man nur darauf achten muss, dass dieses Steckenpferd nichts mit der Arbeit zu tun haben darf, der man vor dem „Feierabend“ nachgeht. Man bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat, vor allem dann, wenn einem der Arbeitgeber untersagt hat, sich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit damit zu beschäftigen, womit man den „Feierabend“ füllt.
Das kann natürlich zu allerlei Konflikten führen, wie es auch der Fall wäre, wenn – sagen wir – ein Sozialarbeiter in seiner Freizeit einen Puff führen würde. Oder wenn eine Apothekerin nach Ladenschluss daheim Sprengsätze oder Giftkapseln basteln würde.
Womit wir wieder bei Dr. Ludwig Watzal wären, einem Mitarbeiter der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung. Seine Leidenschaft ist der Nahe Osten, sein Hobby sind „Rezensionen“ von Büchern, die sich mit der Lage im Nahen Osten beschäftigen. Das ist insofern praktisch, als er keine eigene Meinung haben muss, sondern sich immer hinter der Meinung jener verstecken kann, die seine Meinung artikulieren. Manchmal freilich haut er vor Begeisterung auch daneben und muss zurückrudern, wie in jenem Fall, als er das Buch eines pathologischen Antisemiten bejubelte, bis ihn jemand darauf aufmerksam machte, dass er daneben getappt hatte:
Die echten und die falschen Juden
http://www.freitag.de/2005/22/05221501.php
Der Journalist und das “Imperium”
http://www.freitag.de/2006/06/06061502.php
Das waren zweifellos die zwei besten Rezensionen, die Watzal nach Feierabend geschrieben hatte. Sie zeugten nicht nur von sachlicher Kompetenz sondern auch von großer Flexibilität.
Dennoch hat es Watzal nicht leicht, Beruf und Hobby sauber auseinander zu halten. Das gibt auf die Dauer Stress. Und in einer solche Lage braucht man Verbündete, die einen vor Angriffen in Schutz nehmen. Bei Watzal ist es ein delirierender Rentner, der immer dann, wenn er „anscheinend“ meint, „scheinbar“ schreibt und auch sonst mit Zeichensetzung und Rechtschreibung hadert, und ein in die Jahre gekommener Redakteur der Zeitung „junge Welt“, dem früheren Zentralorgans der „Freien Deutschen Jugend“ der DDR. Zuletzt schrieb er über Watzal dies:
„Seit mehreren Jahren findet eine muntere Treibjagd rechtszionistischer Kreise auf Ludwig Watzal statt, um seinen Arbeitgeber, die Bundeszentrale für politische Bildung, zur Kündigung ihres angeblich antisemitischen Mitarbeiters zu drängen. Insbesondere der Spiegel-Journalist Henryk M. Broder verfolgt auf seiner Internetseite »Achse des Guten« den bekannten Israel-Kritiker mit obsessiver Aufmerksamkeit. Das Vergehen des Gejagten besteht darin, daß er nach Feierabend Artikel schreibt, die sich mit der israelischen Besatzungspolitik hart – zu hart nach Ansicht seiner Feinde – auseinandersetzen. Die Bundeszentrale ist angesichts der permanenten Angriffe gegen Watzal mehrfach öffentlich politisch auf Distanz gegangen. Zugleich wurde aber erklärt, dass er als Privatmann das Recht hat, seine Meinung zu veröffentlichen, solange er dabei keinen Bezug zur Bundeszentrale herstellt.“
Lassen wir mal die „rechtszionistischen Kreise“, den „angeblich“ antisemitischen Mitarbeiter und den „bekannten“ Israel-Kritiker unkommentiert liegen und konzentrieren uns auf die „obsessive Aufmerksamkeit“, mit der Watzal von der Achse des Guten verfolgt wird. Auf Watzals Homepage findet man auch ein Verzeichnis seiner „Publikationen“. Schauen Sie sich nur mal die Titel der Arbeiten an:
http://www.watzal.com/f_pub.html
Nein, hier von einer „obsessiven Aufmerksamkeit“ zu sprechen, wäre eine fiese Unterstellung. Es ist die Liebe zum Gegenstand seiner Betrachtungen, die ihn umtreibt, so wie ein Stalker von der Liebe zu einer fernen unerreichbaren Schönheit angetrieben wird. Besonders liebevoll ist ihm die Rezension eines „israelkritischen“ Buches geraten, das der Sohn eines „Großrabbiners“ (sic!) geschrieben hat. Wobei der Titel der Rezension - “Entzionisierung” als Voraussetzung für einen wirklichen Frieden – natürlich nicht die Meinung Watzals widergibt, sondern nur den Inhalt des Buches zusammenfasst. Wenn Israel erstmal „entzionisiert“ ist, wird im Nahen Osten der Frieden einkehren, so wie in Europa nach der „Entjudung“ Deutschlands der Frieden eingekehrt ist.
Watzal leidet also mitnichten an einer Obsession, und sein Sekundant bei der „jungen Welt“ auch nicht. Ältere Genossen freilich können sich noch daran erinnern, wie der ehemalige Obermufti des KB in den 8oer Jahren mit einem Davidstern um den Hals lief, was am Ende dazu führte, dass ihn alle für den Nachkommen eines „Großrabbiners“ hielten. Später hat er dann eine „Tag-für-Tag-Chronologie des Holocaust“ ins Netz gestellt, „das Ergebnis von 15 Jahren Recherchearbeit“, denn wenn es um tote Juden geht, lässt sich Holo-Knut von niemand an Judeophilie überbieten. Bei Juden, die noch leben und auch am Leben bleiben wollen, sieht die Sache schon etwas anders aus.
Jedenfalls fühlt er sich magisch zu Juden hingezogen. Eine Weile müllte er mich mit emails zu, in denen er mich auf seine bedeutenden Veröffentlichungen aufmerksam machte, die mir sonst entgangen wären. Anfang Jänner vergangenen Jahres bekam ich von ihm eine Mail, mit der er einen Text von mir kommentierte, den er auf Spiegel.de gelesen hatte:
Thu, 04 Jan 2007 12:48:55 +0100
To: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese E-Mail-Adresse zu sehen)
Subject: Abbitte
From: “Knut Mellenthin”
Lese eben Spiegel Online. Sehe, dass ich Ihnen Unrecht getan habe. Sie wollen nicht das Abendland retten, sondern den deutschen
Schweinebraten und die deutsche Vorhaut. Wohl bekomm’s.
Knut Mellenthin
Das war auch kein Beleg für eine Obsession, sondern Ausdruck einer Leidenschaft für Details, die ihn auch nach 15 Jahren Recherchearbeit beschäftigen. Was den Schweinebraten angeht, kann ich ihm gerne helfen. Für alle anderen Delikatessen ist der Feierabend-Rezensent zuständig.
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