Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

29.03.2008   15:35   +Feedback

Wie Gott in Wien

Etwa 350.000 Muslime leben in Österreich (http://oesterreich.orf.at/stories/45668/), sie werden die Protestanten als zweitgrößte Glaubensgemeinschaft im Lande bald überholt haben, wenn sie es nicht schon getan haben (http://www.focus.de/politik/ausland/oesterreich_aid_229075.html). Es sind Menschen aller Professionen: Arbeiter, Akademiker, Handwerker und Künstler. Aber wenn es darum geht, den “authentischen” moslemischen Standpunkt vorzustellen, wird fast immer Tarafa Bagajati gerufen, Mitbegründer und Sprecher der “Initiative muslimischer ÖstereicherInnen”, die im wesentlichen aus Tarafa Bagajati und seiner Frau Carla Amina Bagajati besteht, ihrerseits Pressesprecherin der “Islamischen Glaubensgemeinschaft”. Auch dem ORF fiel niemand sonst ein, und so wurde Tarafa Bagajati in letzter Minute zum CLUB 2 am vergangenen Mittwoch eingeladen, kurz nachdem Gudrun Harrer, Außenpolitik-Redakteurin des STANDARD, abgesagt hatte. Dabei hatte ich mich gerade auf sie so gefreut, nachdem ich das Interview mit ihr gelesen hatte, das 2005 im muslim-markt erschienen war (http://muslim-markt.de/interview/2005/harrer.htm).
Denn Bagajati kannte ich schon, ich hatte bereits im vergangenen Jahr das Vergnügen, ihm in Wien zu begegnen, als er unbedingt zusammen mit mir auftreten wollte. (http://www.krone.at/index.php?http://wcm.krone.at/krone/S94/kmprog/index.hbs?external_script=http://talksalon.krone.at/thread.php?threadid=1059808&sid=1ffb9b6105b6587fa1697db89666cdcf)
Sein größter Wunsch ging endlich letzten Mittwoch im CLUB 2 in Erfüllung. Ich hatte, als die Sendung um 23 Uhr losging, schon zwei Beisl und drei Cafes hinter mir, war also leicht angemüdet. Bagajati vergeigte aber seine Chance, als er den tragischen Versuch unternahm, moslemische Witze zu erzählen, um zu beweisen, dass Muslime Sinn für Humor haben und keine Übelnehmer sind. Sogar der Moderator Werner Schneyder, eher Bagajati als mir zugetan, wunderte sich: “Wo ist da die Pointe?” Es gab einfach keine, und wenn, dann nur eine unfreiwillige. Noch witziger als Bagajati war allerdings ein deutscher Friedensforscher aus Kassel, der für alles, was moslemische Terroristen anstellen, den Westen verantwortlich machte.
So war ich froh, als ich gegen zwei Uhr nachts in meiner geräumigen Suite im Hotel Astoria ankam. Ich schlief bis 12, sprach das Morgengebet (”... und danke ich DIR, dass DU mich nicht als Frau erschaffen hast”) und machte mich dann auf den Weg zum “Schwarzen Kameel”, zu einem frühen Mittagessen mit Pamela, Samuel, Tafelspitz, Saftgulasch und Marillenpalatischinken. Wir wurden von Maitre Johann Georg Gensbichler bedient, Ritter der Österreichischen Käsetafel und Doppelgänger von Kaiser Franz Josef (http://www.gensbichler.at), eine Ehre, die nur wenigen Gästen zuteil wird. Wir hatten es Pamela zu verdanken, die einen eigenen Tisch im Schwarzen Kameel hat.
Auf dem Weg ins Hotel sprach ich das Mittagsgebet (”... und danke ich dir, liebes ORF, dass du keine Kosten gscheut hast, um mich nach Wien zu holen”), und ohne es zu wollen, stand ich plötzlich vor der Kurkonditorei Oberlaa am Neuen Markt (http://www.oberlaa-wien.at). Da ich allem, nur keiner Versuchung widerstehen kann, ging ich rein, bestellte eine Osterhazy-Schnitte und sprach das Mittagsgebet zu Ende (”... und mach bitte, dass ich bald wieder nach Wien eingeladen werde”).
Abends gingen Samuel und ich in das “Theater in der Walfischgasse”, zur Premiere von Silke Hasslers “Qualifikationsspiel”, in der Regie von - Werner Schneyder. Wien ist eben eine kleine Stadt, man läuft sich täglich über den Weg. Und für diese 9o Minuten hätte sich nicht nur die weiteste Anreise gelohnt, ich wäre auch bereit gewesen, noch einmal mit Tarafa Bagajati zu shmoozen. Eine herrliche Boulevardkomödie über Frauen und Männer am Rande des Zusammenbruchs, von Werner Schneyder witzig inszeniert. Silke Hassler kann nicht nur Dialoge schreiben, sie sieht auch rasend gut aus.
Und so hat sich die Reise nach Wien doch gelohnt. Mit einer Tasche voller Pischinger-Tafeln und Anthon-Berg-Pralinen kam ich Freitagabend in Berlin an, gerade rechtzeitig zum Nachtgebet: “... und vergib allen, die einen Topfenstrudel von einer Golatsche nicht unterscheiden können!”

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