Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

15.05.2008 10:35 +Feedback
Die NZZ berichtet heute von einer besonderen Maßnahme zugunsten der Integration muslimischer Einwanderer in Holland: “Am kommenden Wochenende werden 35 strenggläubige Muslime aus dem Amsterdamer Stadtteil Slotervaart das frühere Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau besuchen. Die Reise geht auf die Initiative einer in Slotervaart aktiven marokkanischen Elternvereingung zurück, die den Teilnehmern die Geschichte Europas und im Besonderen jene der Niederlande näherbringen will. Gegen 40.000 niederländische Juden waren während des Zweiten Weltkrieges in dem deutschen Vernichtungslager in Polen ermordet worden…”
63 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz macht sich das Lager endlich bezahlt. Nicht nur delirierende Rentner und verzweifelte Hausfrauen sind davon überzeugt, dass Auschwitz eine Art Besserungs- und Erziehungsanstalt war, in der Juden gute Manieren beigebracht wurden, die sie heute im Umgang mit den Palästinensern anwenden sollten, Auschwitz ist auch ein Themenpark, in den Schulklassen geschleppt werden, meistens von Paukern, die zu faul sind, mit ihren Schülern Eugen Kogons “SS-Staat” zu lesen und zu diskutieren und auf die Kraft des Authentischen setzen. Die Ergebnisse dieser Grusel-Pädagogik sind bekannt. Viele Jugendliche kommen mit noch mehr Ressentiments gegenüber Juden aus Auschwitz zurück, als sie vor der Bildungsreise schon hatten. Das ist auch ganz natürlich. Das schlechte Gewissen, das ihnen eingeredet wird, richtet sich nicht gegen die Pauker, sondern gegen die Verursacher des schlechten Gewissens - die Juden.
Und nun sind die Muslime dran. Man will ihnen die Geschichte Europas und der Niederlande beibringen. Dafür könnte man mit ihnen auch zu einer Weinprobe an die Mosel fahren oder in Auerbachs Keller in Leipzig, wo schon Goethe verkehrte. Um etwas über die Geschichte der Niederlande zu erfahren, könnte man mit ihnen die Gegend um die Oude Kerk in Amsterdam besuchen, und wenn es denn unbedingt ein KZ sein muss, dann das ehemalige Lager Westerbork, von wo aus die holländischen Juden nach Auschwitz und Sobibor deportiert wurden. Extrem lehrreich wäre auch ein Besuch in der Normandie, wo die Alliierten 1944 gelandet sind, um Europa von den Nazis zu befreien. Das könnte den Moslems eine Vorstellung vermitteln, dass Freiheit erkämpft werden muss und wem sie es zu verdanken haben, dass sie heute in Frieden und Freiheit in Holland leben können. Aber nein, es muss Auschwitz sein.
Niemand sollte sich wundern, wenn die Moslems auf diese Integrationsmaßnahme ganz normal reagieren: Mit Abwehr. Da sie ja “strenggläubig” sind, könnten sie sich fragen, was die Juden alles verbrochen haben, dass sie von Gott dermaßen bestraft wurden. (Es gibt ja auch Juden, die solche Fragen stellen.) Sie könnten sich auch sagen: Irgendeinen Grund werden die Nazis schon gehabt haben, dass sie sich so viel Mühe mit den Juden gemacht haben. Oder sie werden sagen, angeregt vom Beispiel deutscher Bischöfe und anderer Palästinaexperten: Was die Nazis damals mit den Juden gemacht haben, das machen die Zionisten heute mit den Palästinensern.
Leider haben es die Alliierten versäumt, Auschwitz rechtzeitig zu bomben. Jetzt könnte Auschwitz risikolos plattgemacht werden, um wenigstens dem Gruseltourismus ein Ende zu machen. Besser spät als nie.
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