Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

12.05.2008   11:17   +Feedback

Die Alice, die Juden und die Frauen

“Es kommt sicherlich nicht oft vor, dass eine Prostituiertenorganisation sich an Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt wendet. Unser Anliegen - da können wir Sie vorab beruhigen - betrifft aber nicht so sehr das Thema Prostitution, als vielmehr ein öffentliches Ereignis in dieser Stadt, von dem wir erwartet hätten, dass Sie bzw. die Jüdische Gemeinde Frankfurt dazu öffentlich und kritisch Stellung bezogen hätten.”

Mit diesen Worten fängt ein Offener Brief an, den “Dona Carmen e.V., Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten” an den Vorsitzenden der Frankfurter jüdischen Gemeinde, Prof. Dr. Salomon Korn, geschrieben hat. Darin geht es um die diesjährige Trägerin des Ludwig-Börne-Preises, Alice Schwarzer, die in ihrer Dankesrede, nicht zum ersten Mal, die Leiden der Frauen mit denen der Juden verglichen bzw. gleichgesetzt hat. Denn Frau Schwarzer gehört zu den vielen deutschen Gutmenschen, die unter akutem “Holocaust-Neid” leiden und deswegen keine Gelegenheit auslassen, sich auch als Opfer der Geschichte zu definieren. Und da sind die Juden natürlich das Maß aller Dinge. Weiter heißt es in dem Brief von “Dona Carmen” an Prof. Dr. Salomon Korn:

“Schon 1985 glaubte Schwarzer zu wissen, „dass auch ich selbst zu einer minderen Rasse gehöre: zu der der Frauen.“ (Mit Leidenschaft, 1985, S.135) Schließlich hätten auch die Frauen einen Genozid vorzuweisen: die Millionen ermordeter ‚Hexen’. Gegner ihres Konzepts von Frauenemanzipation bezeichnete Schwarzer - mit dem Jargon der Nazis kokettierend - mehrfach als Vertreter einer „Herrenrasse“. Frau Schwarzer und ihre Zeitschrift EMMA propagieren die These der amerikanischen Therapeutin Judith L. Herman von „den kleinen versteckten Konzentrationslager(n), errichtet von Tyrannen, die über ihre Familie herrschen“. (EMMA, Jan/Febr. 2004, S.88) Damit werden Opfer häuslicher Gewalt mit politischen Opfern, letztlich mit Opfern des Nazi-Regimes auf eine Stufe gestellt. So genannte „Lustmörder“ bezeichnet Frau Schwarzer mehrfach als „SS des Patriachats“, was zweifellos die SS verharmlost. Immer wieder drängen sich Schwarzer „Parallelen zu 1933“ auf: „Auch damals waren (zunächst) die Juden im Visier - und die Frauen“. Schließlich habe es unter Hitler ein Berufsverbot für weibliche Juristen gegeben. (EMMA, März/April 2002) „Den Gaskammern der Nazis gingen selbstverständlich die Propagandafeldzüge der Nazis voraus, die jüdische Menschen wie Untermenschen gezeigt haben. Und wir Frauen werden heute gezeigt wie Untermenschen.“ (EMMA-Sonderband PorNO, 1988, S.49) „Wollt ihr die totale Objektfrau?“ fragte Schwarzer, Goebbels imitierend, in ihrer PorNo-Kampagne. (PorNO, 1994, S.85)”

Bis jetzt hat Salomon Korn weder auf die Börne-Rede von Alice Schwarzer noch auf den Offenen Brief von “Dona Carmen” reagiert. Er ist vermutlich zu sehr damit beschäftigt, eine Gegenposition zu einem Gedenkstättenkonzept in Brandenburg zu erarbeiten, wo man an die Opfer der NS-Herrschaft und des Stalinismus zugleich erinnern möchte. Und das, findet Korn, geht auf keinen Fall, man könne die einen mit den anderen nicht vergleichen und schon gar nicht gleichsetzen.

Hier der ganze Brief von “Dona Carmen”:
http://www.donacarmen.de/?p=249

 

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