Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

10.05.2008   00:08   +Feedback

Einmal Dortmund und schnell zurück

Ehrlich gesagt, ich hatte mir Dortmund noch häßlicher vorgestellt. Vor 40 Jahren war ich zum ersten und letzten Mal dort, zu einem Konzert mit Louis Armstrong in der Westfalenhalle. Alles, was seitdem aus Dortmund kam, war eher abschreckend, einschließlich des säuerlichen DAB. Aber wer lange genug in der Stadt lebt, der gewöhnt sich auch daran. Ich wollte mir wenigstens den Bahnhofsvorplatz ansehen, aber die Limo wartete schon und brachte mich in das Landhaus Hotel Syburg. Die Fahrt dauert etwa 2o Minuten, und man bekommt eine Ahnung, was einen erwartet, wenn man sich die Sensationen am Weg anschaut, u.a. das Mittelalter-Kultur-Festival “Spectaculum” oder das Thai Restaurant “Blauer Elephant” mit “Somer Terras”. Wenn ein Hotel in Deutschland “Landhaus” heißt, dann muss man diese Drohung ernst nehmen. Es gibt eine urgemütliche “Kutscherstube” und einen “Wellnessbereich”, aber keinen Computer, den die Gäste benutzen können. Alles ist schwer rustikal, so stellt sich der Westfale die feine Lebensart vor. Als Ausgleich gibt es im Bad zwei dünne Handtücher und einen Seifenspender, mit dessen Inhalt man auch gurgeln kann. Shampoo oder Pantoffeln, wie sie in jedem Motel zum Standard gehören, gibt es nicht, so was könnte den Gast ja zum Verweilen einladen. Das Beste aber ist der Teppichboden im Zimmer, wenn er reden könnte, würde er die UNESCO bitten, zum Kulturerbe erklärt zu werden. Bevor ich zu Bett ging, zog ich mir zwei Paar Socken an.
Vorher aber hatten wir noch einen schönen Abend in der Kantine von MARK E, dem lokalen Energieversorger; in dem nagelneuen und vollautomatischen Kraftwerk, das die Stadt Hagen und Umgebung mit Strom beliefert, arbeiten noch 30 Fachleute. Die Zentrale sieht wie der Leitstand eines Raumschiffs aus. Nur ein 200 Meter hoher Schornstein erinnert noch daran, dass hier bis vor kurzem noch ein Kohlekraftwerk täglich Tonnen von Ruß in die Luft geblasen hat. Auch das Dinner nach dem Vortrag war ausgezeichnet.
Zurück im “Landhaus” schaute ich mir noch die ersten 20 Minuten von Schmidt&Pocher an, legte mich schlafen, wachte am nächsten Morgen viel zu früh auf, nachdem ich geträumt hatte, ich wäre in einem Landhaus in Westfalen abgesetzt und nicht abgeholt worden. Dann kam die Limo und brachte mich zum Bahnhof, ich nahm den ersten Zug nach Berlin und atmete tief durch, als der ICE in Spandau einfuhr. So muss sich König Salomon gefühlt haben, als er nach Jerusalem kam, wo die Königin von Saba ihn schon erwartete. So gesehen, kann ich Dortmund jedem nur empfehlen.

Permanenter Link

Achgut  Inland  

Die Achse des Guten