Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

26.08.2008   11:33   +Feedback

Beruf mit Aussicht

Es gibt Berufe mit einer großen Vergangenheit: Bleisetzer, Heizer auf einer Dampflok, Ritter, Minnesänger, Exorzist und Puffmutter. Dann gibt es Berufe mit einer großen Zukunft: Astronaut, Webdesigner, Klima-Apokalyptiker, Emissionshändler und Staatspräsident von Abchasien. Derzeit aber haben drei Berufe Konjunktur: Eventmanager, Insolvenzberater und Israelkritiker. Vor allem der letzte erfreut sich großer Beliebtheit, weil es einer der wenigen freien Berufe ist, für die man keine Qualifikation braucht, nicht einmal eine Kenntnis der Geschichte oder der Rechtschreibung. Besonders geeignet sind Rentner mit viel Tagesfreizeit, frustrierte Hausfrauen und hauptberufliche “Holocaustüberlebende” (bzw. deren Kinder), die “aus der Geschichte gelernt” haben. Deswegen gibt es immer mehr “Israelkritiker”, während es einen akuten Mangel an Irland-, Simbabwe- und Bangladeschkritikern gibt.
Als Israelkritiker hat man genug zu tun, kann sich die Arbeit aber auch bequem einteilen. Man kann z.B. israelkritische Beiträge in der Freizeit schreiben oder den ganzen Tag auf Kosten des Arbeitsamtes im Internet unterwegs sein, um der Israel-Lobby auf der Spur zu bleiben. Zwischendurch organisiert man Hilfsaktionen für darbende Kinder, die sich ein karges Zubrot mit dem Bau von Raketen verdienen müssen oder unternimmt einen Segeltörn, für den man nichts bezahlen muss.
Obwohl “Israelkritiker” ein relativ neuer Beruf ist, hat er sich auf dem Arbeitsmarkt gut etabliert. Demnächst soll sogar an einer Uni ein Lehrstuhl für “Geschichte und Gegenwart der Israelkritik” eingerichtet werden. Was sehr zu begrüßen ist, weil man damit die historische Dimension des Faches erschließen könnte. Bis 1945 wurde es im Reichssicherheitshauptamt unterrichtet, die Dozenten hießen: Judenkritiker.

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