Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.08.2008   21:06   +Feedback

Jungfrauengeburt und unbefleckte Empfängnis

Weil ich mit Matzebrei und nicht mit Oblatenplätzchen aufgewachsen bin, habe ich auch den Unterschied zwischen Jungfrauengeburt und unbefleckter Empfängnis nicht mitbekommen. So habe ich das eine eine Phänomen mit dem anderen in meiner “Olympia”-Geschichte verwechselt, was mir ein wenig peinlich ist. Hier kommt die Richtigstellung von Dr. H.M. von der HU Berlin:

=Es gibt tatsächlich einen Unterschied, und er ist mehr als relevant. Zwischen
den Dogmen bezüglich Jungfrauengeburt und bezüglich unbefleckter
Empfängnis liegen 1 1/2 Jahrtausende, in der “story” liegt eine Generation
und bzgl. der tieferen Bedeutung liegen Welten dazwischen.

Kurzfassung: Die Jungfrauengeburt als Bild ist uralt, zunächst entstanden
wegen des nicht erkannten Anteils der Männer an der Fähigkeit der Frauen,
Kinder zu gebären. Danach wurden die Männer übermütig und haben sich zu
den 100%igen Erzeugern erklärt (“Samen”), die Frauen hatten vor 2000
Jahren keinen genetischen Anteil, sondern nur einen ernährenden. Maria hat
Jesus als Jungfrau geboren, weil Joseph nicht beteiligt war, d.h. das Kind
(in dem Fall Jesus) kommt g a n z von Gott, angekündigt quasi von einem (weiblichen) Engel.
Die Geschichte klingt heutzutage pervers, weil jedes Grundschulkind weiß, dass
Papa und Mama je 50 % Anteil haben (Maria und der liebe Gott ... ?). Das
weibliche Ei wurde aber erst im 19. Jahrhundert entdeckt und die
aristotelische Biologie (s.o.) hat sich lange erhalten. Es bleibt ein sehr
schönes Bild, dessen eine Schicht jedenfalls viele Menschen für richtig
halten würden: Dass nämlich das/jedes Kind ganz von Gott kommt.

Demgegenüber ist die unbefleckte Empfängnis nur eine trickreiche Lösung
eines Problems, das sich die Theologen selbst geschaffen haben, indem sie
ihre Logik zum Exzess getrieben haben. Am Ende des vierten Jahrhunderts
unserer Zeitrechnung waren die Dogmen verkündet, nach denen Jesus
gottgleich (und nicht gottähnlich)ist und Maria als Jungfrau ihn, also
einen Gott, geboren hat. Zusammen mit dem später entwickelten Begriff der
Erbsünde, nach dem wir alle ohne Ausnahme und zwar ab der Geburt sündig
sind und der Erlösung durch Jesus bedürfen, hat man natürlich ein Problem.
Wie kann eine sündige junge Frau einen Gott gebären? Das Dogma der
unbefleckten Empfängnis (Mitte des 19. Jahrhunderts) sagt, dass Gott in
einem Gnadenakt Maria von Geburt an (genauer von der Empfängnis ihrer
Mutter an) sündlos gemacht hat, ohne ihr eigenes Verdienst. Wie sie nun
nach der Geburt von Jesus sündig geworden ist, damit sie auch der Erlösung
bedarf, übersteigt meine Kenntnisse.

Nebenbemerkung: Das Kirchenjahr ist nicht so dämlich angelegt, dass Maria
in drei Wochen eine Schwangerschaft durchläuft. (8.12. - Mariä Empfängnis,
24.12. Jesu Geburt)

Mit diesen Ausführungen werde ich vermutlich keine Dr. theo.
kriegen,Ihnen aber immerhin einen Eindruck vermittelt haben. =

In der Tat. Danke!

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