Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

23.11.2008   13:10   +Feedback

FU: Ein Herz für Hochstapler

Im Rahmen der Ringvorlesung “Frieden - Umwelt - Demokratie - Heute noch realisierbare Werte?” an der FU Berlin im Wintersemester 08/09 wurde für den 19.11. eine „Vorlesung… mit Reuven Moskowitz (Jerusalem)“ angekündigt: „Ein israelischer Friedenskämpfer spricht zur verzweifelten Lage der Palästinenser: Welche Lösung sollten wir anstreben?” Veranstalter war das „Institut für Chemie und Biochemie, Prof. Dr. Roland Reich FU, Tel.: 030/838-55333“.

Wesentlich detaillierter und viel versprechender war ein Aushang, auf dem der Sinn und der Zweck der Vorlesung mit „Reuven Moskowitz (Jerusalem)“ so zusammengefasst wurden:

“Moskowitz sagt uns, dass gerade wir als Deutsche nicht nur das Recht, sondern sogar die besondere Pflicht zu Kritik an jeder friedenswidrigen Politik (auch der Politik Israels) haben! Er ruft uns dazu auf, die Mauer des Schweigens und des sich Unterwerfens unter die politische und geistige Erpressung zu durchbrechen Zum Schluss verweist und M. auf das Buch “Hitler besiegen”, von dem ehem. Israelischen Knesset-Vorsitzenden Avram Burg, mit der Hauptthese, das sich Israel in der Übergangsphase von der Weimarer Republik zum Schreckensregime des Nationalsozialismus befinde. Viel zu lange haben sich Frieden suchende Menschen in Deutschland mit dem Ruf Friede! Friede! an der Nase herumführen lassen, während die israelischen Machthaber dem Frieden unablässig entgegenwirkten.”

Es ging also weniger um die „verzweifelte Lage der Palästinenser“ als um die Nöte deutscher Israelkritiker, die nicht nur das Recht sondern die Pflicht haben, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, damit ein zweites nationalsozialistisches Schreckensregime verhindert werde. Und damit sie mit diesem Vorhaben nicht in den Verdacht geraten, ihren subtilen Antisemitismus unter einem wohlfeilen Alibi auf Israel zu projizieren, brauchen sie einen Juden als Alibi, der ihnen sagt, wie sie tun sollen: Reuven Moskowitz aus Jerusalem, der sich seinerseits auf den ehem. Knesset-Vorsitzenden Avram Burg beruft. Macht schon zwei authentische Juden, die den ob ihrer Geschichte verunsicherten Deutschen sagen, wo’s lang geht.

Es war nicht Reuven M.s erste Hilfeleistung am unheilbar gesunden Gewissen seiner deutschen Freunde. Der „Friedenskämpfer“ aus Israel tourt unter seinem Künstlernamen „Dr. Reuven Moskowitz“ seit vielen Jahren durch Deutschland, besucht Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen, evangelische und katholische Akademien, Seminare der Heinrich-Böll- und Friedrich-Ebert-Stiftung, um überall, wo er auftritt, seinen Einladern zu versichern, dass gerade sie als Deutsche nicht nur das Recht sondern die Pflicht haben, Israel daran zu hindern, ein nationalsozialistisches Regime in Palästina zu etablieren.

Angesichts dieser Botschaft finden seine Zuhörer nichts dabei, dass Moskowitz kaum in der Lage ist, sich auf Deutsch zu artikulieren. Wer ihm nur drei Minuten zuhört, merkt, dass er es mit einem Aufschneider und Hochstapler zu tun hat, dessen IQ dem seiner Schuhgröße entspricht, der aber bauernschlau genug ist, seinen Zuhörern genau das zu sagen, was sie von ihm hören wollen. Der Felix Krull der Friedensbewegung kann auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Siehe: „Doktorspiele eines rumänischen Patienten“ (http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/spotlight/doktorspiele_eines_rumaenischen_patienten/)

Ähnlich den falschen Ärzten, die eine Leidenschaft fürs Operieren haben, behandelt Reuven M. den Nahostkonflikt wie ein Hobby. Qualifiziert hat er sich für diese Aufgabe als „Friedenskämpfer“ und „Holocaustüberlebender“, zwei Angaben, bei denen es sich um ungeschützte Berufsbezeichnungen handelt. Nachdem auf achgut das Porträt des Handlungsreisenden in Sachen Frieden erschienen war, wurde es ein wenig still um den Mann, der seine Auftritte gerne mit einem „jiddischen Ghettolied“ auf seiner Mundharmonika beendet. Doch nun, ein Jahr später, ist er wieder da. Und die braven Profs von der FU, die ihn eingeladen haben, waren nicht einmal willens oder in der Lage, bei GOOGLE nachzusehen, wem sie ein Forum bieten.

Der Pressesprecher des FU-Präsidenten, Goran Krstin, antwortete auf einen entsprechenden Hinweis, er wäre nicht im Büro und verwies auf seinen Stellvertreter, Carsten Wette. Rudolf-Andreas Palmer vom „Arbeitskreis für Friedenspolitik“ an der FU erklärte: „Wir schätzen Dr. Moskowitz seit Jahren als ebenso gewissenhaften und mutigen israelischen Fürsprecher für die Rechte der Palästinenser…“ Die persönliche Referenten des EU-Präsidenten, Meike Ellenbracht, antwortete, Professor Lenzen sei „derzeit auf Dienstreise und erst am Mittwoch wieder im Haus“, dem Tag, an dem Reuven M. seine Vorlesung halten sollte. Den Hinweis, für solche Fälle sei zuerst das Telefon, dann das Fax und schließlich email erfunden worden, liess sie unbeantwortet.

Einen Tag vor dem Termin gab der Pressesprecher der FU, der offenbar wieder in seinem Büro eingetroffen war, folgende Stellungnahme ab: „Gemäß § 15 Abs. 3 Teilgrundordnung der Freien Universität Berlin ist das Dekanat für das Lehrangebot und die Art und Weise seiner Durchführung verantwortlich. Wir haben das zuständige Dekanat nachdrücklich aufgefordert, gegebenenfalls durch entsprechend eindringliches Einwirken auf die Veranstalter, dafür Sorge zu tragen, dass strafbare Handlungen in der angekündigten Veranstaltung ausgeschlossen sind und dienstliche Pflichten, insbesondere die Mäßigungspflicht gemäß §§ 18 Abs. 2, 19 Landesbeamtengesetz bzw. § 8 BAT beachtet werden.“

Damit hatte der Sprecher des FU-Präsidenten offenbar alles getan, was er tun konnte. Hätten die Mediziner Graf Dracula zu einer Vorlesung eingeladen, hätte er das zuständige Dekanat auch nachdrücklich aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass keine strafbaren Handlungen in der angekündigten Veranstaltung begangen werden und der Graf nur Tomatensaft zu trinken bekommt.

Auf eine andere Nachfrage, ob die FU den „Hintergrund von Herrn Moskowitz“, vor allem den falschen Doktortitel, untersucht habe, antwortete der Pressesprecher der FU:

„Für die Durchführung von Vorträgen im Rahmen von Ringvorlesungen ist die Frage des Besitzes akademischer Titel unerheblich. Wegen der Zuständigkeit des jeweiligen Fachbereich-Dekanates ist der WISSENSCHAFTLICHE Hintergrund jedes Vortragenden durch das Fach zu verantworten. Inwieweit eine entsprechende Prüfung stattgefunden hat entzieht sich der Kenntnis des Präsidiums. Eine illegale Führung des Doktortitels der Freien Universität Berlin ist hier nicht bekannt. Da wir der Angelegenheit nachgehen möchten, bitten wir um Vorlage von Beweisen, aus denen hervorgeht, dass Herr Moskowitz einen Titel geführt hat, wann dieser in welchem Fach und in welcher Fakultät erworben worden sein soll.“

Obwohl Reuven M. immer wieder behauptet, 1974 an der FU promoviert zu haben, war der Pressesprecher nicht in der Lage, diese Behauptung durch eine Anfrage beim Promotionsregister zu überprüfen und bat stattdessen um „Vorlage von Beweisen“.  Zugleich wies er darauf hin, dass die FU „nach ihrer Gründung 1948, an der auch zahlreiche jüdische Studenten mitgewirkt haben, zu denjenigen gehörte, in die berühmte jüdische Wissenschaftler zurückgekehrt sind, darunter Ernst Fraenkel und Otto vom Simson“, was vermutlich heißen sollte, angesichts dieser Tradition können man auch einem jüdischen Hochstapler die Einladung zu einer Ringvorlesung nicht verweigern.

Inzwischen hat Reuven M. seine „Vorlesung“ gehalten, worauf die FU umgehend reagierte, indem sie den Link zu Ereignis löschte: http://www.chemie.fu-berlin.de/fb/diverse/eug08.pdf

Siehe auch: Falscher Doktort mit Tumor
http://www.recht-blog.com/?p=1203

 

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