Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

14.03.2009   18:52   +Feedback

Ein letzter Gruss - und Tschuss!

Was ist eigentlich aus den vielen Ermittlungsverfahren wg. Volksverjetzung u.a. Delikte nach den Anti-Israel-Demos im Jänner dieses Jahres geworden? Als ausgelassene Friedensfreunde mit Rufen wie “Wir sind alle Hamas!”, “Juden ins Gas”, “Kindermörder Israel!”, “Zionisten sind Faschisten!” und “Intifada bis zum Sieg - Juden raus aus Palästina” an verdrossen dreinblickenden Polizisten vorbeizogen? Die Ermittlungen ziehen sich ein wenig hin, wenn sie nicht gerade im Sande verlaufen, wie im Falle des Freizeit-Politikers Jamal Karsli, der am 10. Januar eine Demo in Recklinghausen angeführt und zur Solidarität mit der Hamas aufgerufen hatte. Das Verfahren gegen ihn wurde unter Hinweis auf Art. 5 GG eingestellt. Was an sich eine richtige Entscheidung ist, denn auch Hobby-Antisemiten gebührt das Recht, ihre Meinung frei äußern zu dürfen.

Etwas anders dagegen läuft die Sache im Falle des Herausgebers der Site “Jihad Watch Deutschland”, F.A. Medforth. Der hatte am 21.11.2008 eine Geschichte (“Pali-Annen gibt nicht auf!”) online gestellt, in der er den Hamburger SPD-MdB Niels Annen den “deutschen Ableger von Hamas und Hizbollah” nannte; dazu ein Bild einer Hizbollah-Einheit, deren Kämpfer den rechten Arm heben: “Ein letzter Gruss an Annen”. http://fredalanmedforth.blogspot.com/2008/11/pali-annen-gibt-nicht-auf.html

Das war nicht nett und sicher ein wenig over the top, denn die Hizbollah-Jungs haben keine Ahnung, wer Niels Annen ist, sie haben mit ihm weder studiert noch gefeiert, kennen vermutlich nicht einmal seinen Namen. Es ist auch sehr fraglich, ob sie mitbekommen haben, dass Annen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, sich für Gespräche mit der Hizbollah ausgesprochen hatte, da sie nicht nur “eine Terrororganisation, die Gewalt anwendet”, sondern zugleich “die wichtigste politische Bewegung der Schiiten im Libanon” wäre. Dass die USA mit Bewegungen wie Hisbollah und Hamas nicht reden wollten, sei verkehrt: “Deshalb müssen wir diese Sprachlosigkeit überwinden. Ich bin für einen Vorstoß der Europäer in dieser Sache, und wir sind ja auch dabei, dort entsprechende Kontakte, die es gibt, auch zu nutzen.” So weit der Nahost-Exdperte Niels Annen, der nach nur “26 oder 27” Semestern sein Studium abbrechen musste, nachdem er durch eine Latinum-Prüfung gefallen war. http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,561115,00.html

Anfang März bekam Medforth von der Staatsanwaltschaft Essen ein Schreiben zugestellt. Er werde angeklagt “eine andere Person beleidigt zu haben”, indem er den Abgeordneten Annen “als deutschen Ableger von Hamas und Hizbollah” bezeichnet, dazu “das Bild mit ausgestreckten rechtem Arm salutierenden, offenbar ausländischer Polizeibeamter” zugefügt und mit dem Satz “Ein letzter Gruss an Annen” unterlegt habe. Dadurch fühle sich “der Zeuge Annen in seiner Ehre verletzt”. Unterschrieben ist die Anklageschrift mit Staatsanwalt Lichtinghagen, es dürfte sich aber eher um Staatsanwältin Lichtinghagen handeln, die vor kurzem umständehalber versetzt wurde. http://www.sueddeutsche.de/politik/113/451822/text/

Und jetzt schauen wir mal, ob es tatsächlich zu einem Verfahren gegen F.A. Medforth kommt, bei dem auch Niels Annen als Zeuge auftreten wird, um zu bekunden, wie sehr er sich in seiner Ehre verletzt fühlt. Zu dem ganzen Verfahren wäre es vermutlich nicht gekommen, wenn Medforth es sich verkniffen hätte, Annen als “deutschen Ableger von Hamas und Hizbollah” zu bezeichnen und ihn nur “Pali honoris causa” genannt hätte. Um diese Anspielung zu verstehen, braucht man wenigstens das Kleine Latinum.

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