Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.02.2009   11:06   +Feedback

Telekom: Macht platt, was Euch platt macht!

Seit kurzem bin ich Besitzer eines NOKIA N 95. Es ist eines der besten Mobiltelefone auf dem Markt, hat nur einen kleinen Nachteil. Wenn man es zu kräftig anfasst, hört es auf zu klingeln. Und das kommt davon, dass die Abdeckplatte lose ist und abfällt, der Akku kullert hinterher. Es ist wie bei der “Challenger”, die 1986 wegen einer kaputten 10-Cent-Dichtung abstürzte. Ich überlegte, ob ich mich an die erfahrene NASA oder an die Telekom wenden sollte, entschied mich dann für die Telekom und ging mit meinem NOKIA N 95 in den T-Punkt an der Wilsmersdorfer Straße. Ich kam sofort dran, hatte aber gleich ein ungutes Gefühl: Der junge Mann, der mich bediente, machte den Eindruck, als wäre er in der ersten Casting-Runde bei DSDS durchgefallen. Muss nix bedeuten, dachte ich, man sollte jedem eine zweite Chance geben. Ich erklärte ihm das Problem und er schrieb einen Bericht. Dann gab er mir den Akku und die Abdeckplatte, was mir ein wenig seltsam vorkam, weil es ja die Teile waren, auf die es ankam. Er könnte, erklärte er, keine beweglichen Teile annehmen, aber das Gerät würde er gleich einschicken, in 2-3 Tagen könnte ich es wieder abholen. Auch das kam mir seltsam vor, aber angesichts des Altersunterschieds wollte ich jeden Anschein von Besserwisserei vermeiden.
Zwei Tage später bekam ich einen Anruf, ich könnte das Gerät wieder abholen. Ich machte mich auf den Weg, wobei ich mich meiner Vorurteile gegenüber der Telekom ein wenig schämte. Die sind doch besser als ihr Ruf, dachte ich, das muss ich dem RO schreiben. Der freut sich bestimmt.
Und tatsächlich: Im T-Punkt an der Wilmersdorfer wartete schon mein NOKIA N 95 auf mich und die Wiedervereingung mit dem Akku und der Abdeckplatte. Und dann kam der Hammer. “Hier ist Ihr neues Gerät”, sagte der junge Mann. “Wieso ein neues Gerät?”, fragte ich und eine dunkle Ahnung stieg in mir auf. Ich nahm das Gerät, setzte den Akku rein, die Abdeckplatte drauf und drückte ein wenig. Die Abdeckplatte sprang ab und der Akku kullerte raus. Der junge Mann schaute, als habe er eben doch einen Recall bekommen. “Was ist mit meinem alten Gerät passiert?”, fragte ich. “Das haben wir platt gemacht”, sagte der junge Mann. In hörte in mir eine Zeituhr ticken. “Haben Sie wenigstens die Telefonnummern von der Speicherplatte auf das neue Gerät kopiert?” - “Das dürfen wir nicht”, antwortete der junge Mann, “wegen Datenschutz”. - “Was heisst das?”, flüsterte ich. “Die sind jetzt auch platt”, antwortete der junge Mann. Das nächste, was gleich platt sein wird, das bist du, dachte ich, sprach den Satz aber nicht aus. Zwei Wochen nach dem Ende der Operation “Gegossenes Blei” wollte ich nicht weitere Schuld auf mich laden. “Ich will mein altes Telefon wieder haben”, sagte ich, “und zwar sofort, sonst sag ich es ihrem Chef!”. Der junge Mann muss gespürt haben, dass mehr auf dem Spiel stand als seine Daniel-Küblböck-Frisur und fragte seinen Supervisor, was er machen sollte. Der gab ihm eine Telefonnummer, die er anrief, nur um in einer Warteschleife zu landen. Beim Rausgehen wurde mir klar, dass ich den Chef gar nicht anrufen kann. Seine Nummer war auch auf der Speicherplatte.
Jetzt warte ich bis Montag nachmittag, ob mein altes Telefon mit den vielen Nummern auf der Speicherplatte wieder auftaucht. Wenn nicht, mach ich den T-Punkt an der Wilmersdorfer Straße platt. Die genaue Uhrzeit wird noch bekannt gegeben.

Permanenter Link

Achgut  Bunte Welt  

Die Achse des Guten