Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

11.06.2009   21:38   +Feedback

Wahre Lügen. Oder: Wie das ZDF seine Zuschauer doppelt verarscht

Die Berichterstattung des ZDF zum Ausgang der Europawahl, die atemlose Empörung über den Wahlerfolg des “Rechtspopulisten” Geert Wilders, hat etliche ZDF-Zuschauer veranlasst, sich bei dem Mainzer Sender zu beschweren. Die Mainzelmännchen antworteten umgehend und souverän: man habe falsch berichtet, sich hier und da vertan, aber das sei im übergeordneten Interesse richtig gewesen. Schliesslich hätten auch der NATO-Generalsekretär und der syrische Grossmufti vor “Fitna” gewarnt. Echt wahr. Und alles von Ihren Gebühren.

Sehr geehrter Herr Goy,
vielen Dank für Ihre E-Mail an das ZDF.
Im „ZDF spezial: Europa hat gewählt“ am 8. Juni ist unter anderem über den überraschenden Wahlerfolg des rechtskonservativen Politikers Geert Wilders berichtet worden. Dabei wurde, worauf Sie zu recht aufmerksam machen, ein falscher thematischer Bezug gesetzt. Erwähnt wurde der Film „Fitna“ von Geert Wilders, gezeigt wurden aber Szenen, die aus „Submission“ stammen, einem Film von Theo van Gogh aus dem Jahr 2004, der seinerseits heftige Reaktionen und Diskussionen in der niederländischen Öffentlichkeit auslöste.

Der verantwortliche Redakteur hat uns dazu wissen lassen, dass es ihm darauf ankam, die Provokation, das Spaltende und Polarisierende auf allen Seiten darzustellen. Diese Absicht und Wirkung ist aber genau das, was die beiden Filme charakterisiert. Und genau das ist auch gemeint gewesen, als er von „Intoleranz mit schlimmen Folgen“ sprach und als vergleichendes Beispiel für das vergiftete gesellschaftliche Klima des Landes die Ermordung Theo van Goghs nannte.

Kronzeuge für diese Sicht der Dinge ist der niederländische Premier Peter Balkenende, der mit Blick auf „Fitna“, das übersetzt für „Zwietracht, Aufruhr und Heimsuchung“ steht, sagte, er könne nicht ausschließen, dass der Wilders-Film Menschenleben kosten würde. „Ein Anschlag ist direkt die Schuld des Terroristen, aber der hat dann seine Legitimation in dem gefunden, über das wir sprechen. Man kann das eine nicht losgelöst vom anderen sehen.   ... Meine Sorge ist, dass die ganze Psychologie um den Film ihre eigene Wirklichkeit kreiert.“

Geert Wilders nun aber im Nachhinein für den Tod van Goghs verantwortlich zu machen, würde als Schlussfolgerung eindeutig zu weit gehen. Unstrittig ist allerdings, dass, wie im „ZDF spezial“ berichtet, gegen Wilders wegen Volksverhetzung ermittelt wurde und er in London genau wegen dieses Vorwurfs festgenommen und die geplante Aufführung seines Films dort verhindert wurde. Auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sah „Fitna“  als eine Gefahr für die NATO in Afghanistan und der syrische Großmufti Scheich Ahmad Badreddine Hassoun warnte in einer Rede vor dem Europaparlament vor einem „Blutvergießen“, das der Film auslösen könne.

Ihre Korrektur unserer aktuellen Berichterstattung haben wir schließlich gerne der verantwortlichen Redaktion mitgeteilt. Ihre Stellungnahme wird außerdem als Teil der Zuschauerresonanz festgehalten und trägt dazu bei, die weitere Programmarbeit des ZDF zu diskutieren und zu bereichern.

Wir danken für Ihren kritischen Blick und freuen uns, wenn Sie auch weiterhin zu unseren interessierten Zuschauern gehören.
Mit freundlichen Grüßen
Stefanie Göckel
ZDF, Zuschauerredaktion

Siehe auch:
http://www.bildblog.de/8599/verwechslung-mit-schlimmen-folgen/

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