Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.12.2009   11:55   +Feedback

Das schreit zum Himmel!

Völlig zu Recht beklagen sich unsere moslemischen Brüder und Schwestern über die “doppelten Standards”, mit denen sie gemessen werden. Christen dürfen die Kirchenglocken läuten, den Moslems wird es nicht einmal erlaubt, Minarette zu bauen. Bringt ein Autochthoner seine Frau um, weil sie was mit dem Nachbarn hatte, ist es ein “Familiendrama”, tut ein Moslem das Gleiche, ist es gleich “Ehrenmord”, nur weil er es mit Hilfe seiner Verwandten getan hat. Sitzen deutsche Männer in ihrer Eckkneipe, dann wollen sie einfach unter sich sein, tun es türkische Männer, bilden sie gleich eine “Parallelgesellschaft”. Fahren Deutsche zum Urlauben in die Türkei, ist es okay, sind es Türken, dann geraten sie automatisch unter den Generalverdacht, dass sie nach “Importbräuten” Ausschau halten. Wenn Deutsche “anscheinend” und “scheinbar” verwechseln und auch sonst bei Rechtschreibung und Grammatik schwächeln, dann gehören sie zu den “bildungsfernen Schichten”. Die Moslems sind aber sogleich “Integrationsverweigerer”, die man am liebsten heimschicken möchte. Das ist natürlich vollkommen ungerecht, ebenso wie die Verteilung der Nobel-Preise, bei denen die Moslems systematisch übergangen werden. Auch dieses Jahr war keiner dabei.
Nun gibt es aber auch eine andere Art der Ungleichbehandlung, gegen die unsere moslemischen Brüder und Schwestern nichts einzuwenden haben. Drücken wir es mit der gebotenen Zurückhaltung und Zärtlichkeit aus, weil wir niemand beleidigen und keine Fatwa riskieren wollen. Bringt ein Ungläubiger einen Moslem oder eine Moslema um, wie vor kurzem in einem deutschen Gerichtssaal geschehen, dann schreit die ganze moslemische Welt nach seinem Kopf und möchte die Todesstrafe appliziert sehen. Ein durchaus verständlicher und nachvollziehbarer Ausbruch der Gefühle. Bringen aber Moslems andere Moslems gleich zu Dutzenden und Hunderten um, passiert nichts, einfach nichts. Keine Aufregung, keine Demos, keine Wut, keine Trauer. Sind das nicht auch doppelte Standards? Über 90 Tote in Bagdad, who cares?
(http://www.20min.ch/news/dossier/irak/story/31968062, http://news.yahoo.com/s/ap/20091208/ap_on_re_mi_ea/ml_iraq), 4o Tote bei einem Anschlag in einer Moschee in Pakistan? Was solls? (http://www.guardian.co.uk/world/2009/dec/04/militants-attack-rawalpindi-mosque-pakistan).
Und in Gaza ist es die Regierung der Hamas, die kranke Palästinenser daran hindert, zur medizinischen Behandlung ins “Ausland” (i.e. nach Israel) zu reisen. http://www.pchrgaza.org/files/PressR/English/2009/123-2009.html
Schon mal einen leisen Protest dagegen gehört? Von der Generaldirektion Palästinas in Bonn? Von Norman Paech, dem Palästina-Referenten der PDS? Hat Hedy Epstein schon eine Pressekonferenz nach Gaza City einberufen? Die Tochter einen Leserbrief an die FAZ geschrieben? Auch auf der Homepage des AG Friedensforschung an der Uni Kassel findet man nichts. (http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/)
Die warten alle ab, bis ein Selbstmordattentäter aus Gaza von den Israelis daran gehindert wird, die Grenze zu passieren, um in Ashdod oder Ashelon eine kleine Mission auszuführen. Dann werden sie alle wieder da sein und ein Ende der Blockade des Gaza-Streifens und Freiheit für ganz Palästina fordern.

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