Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

19.11.2009   08:00   +Feedback

Dick und doof über Berlin

Wer den Kinderstürmer aus Kreuzberg regelmäßig liest, weiß, was den Charme des Blattes ausmacht. Ein Hang zum Infantilen und Postpubertären. Die taz ist eben nicht die Nachfolgerin der Vossischen Zeitung oder des Berliner Tageblatts, sondern der Szene- und Undergroundblätter, die in den 60-er und 70-er Jahren in Berlin gemacht wurden. Und die hießen: Linkeck (http://de.wikipedia.org/wiki/Linkeck, http://www.infopartisan.net/archive/1967/266734.html), Agit 883 (http://de.wikipedia.org/wiki/Agit_883, http://www.883.infopartisan.net/) und Charly kaputt (http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000577.HTM).

Da kommt die taz her und da will sie immer wieder hin, obwohl sie mit Leuten wie Bettina Gaus einerseits Seriosität und mit Jan Feddersen andererseits Partylaune simuliert. Andererseits: Wer Autoren wie den Verschwörungstheoretiker und Wünschelrutengänger Mathias Bröckers beschäftigt und sich vor Gericht von einem Paragrafen-Rüpel wie Jony Eisenberg vertreten lässt, der muss sich um seinen Ruf keine Sorgen mehr machen.

Und so ist es auch mit dem Pimmel über Berlin, den die taz als Relief an ihre Außenfassade genagelt hat. In den 60er und 70er Jahren wäre das eine Sensation gewesen, die sofort den gesamten Berliner Polizeiapparat aktiviert hätte; heute regt sich außer ein paar taz-Grufties, die ihre tägliche Portion Soya-Milch durch eine Schnabeltasse zu sich nehmen, niemand darüber auf, nicht einmal der Chef der BILD, dem die Hommage gilt. Nur die Chefredakteurin der taz, die nicht mitbekommen hat, was da vor ihrem Fenster aufsteigt, ist leicht ungehalten. Sie möchte ihr Fahrrad nicht „jeden Morgen unter einem sechs Meter langen Pimmel abschließen“ und ihr Tagewerk nicht „unter zwei recht prallen Hodensäcken… beginnen“.

Wo ist das Problem, Frau Pohl? Lassen Sie doch Ihr Fahrrad nicht abgeschlossen stehen und fangen Sie mit der Arbeit nach Anbruch der Dunkelheit an.

Bei BILD denkt man nun über geeignete Gegenmaßnahmen nach. Ein Vorschlag, den Charlotte Roche eingereicht hat, hat zwar viel Heiterkeit ausgelöst, wurde aber als ungeeignet verworfen, da es unmöglich gewesen wäre, das Körperteil so weit zu verfremden, dass sich Bascha Mika nicht empört gezeigt hätte. Die Idee, im Atrium des Springer-Hauses ein Feuchtgebiet anzulegen, wurde mit Rücksicht auf das gute Klima im Hause verworfen.

Und so bleibt der Pimmel über Berlin an der taz kleben. Obwohl bereits voll ausgefahren, hat er noch das Potenzial, sich zu einer Touristenattraktion zu entwickeln. Auf dem Weg vom Holocaust-Mahnmal und Reichstagskuppel zum Jüdischen Museum und der East-Side-Gallery werden Busse voller ahnungsloser Westfalen vor dem taz-Haus halten und das Lied anstimmen: „Junge, komm bald wieder…“, derweil Kai Diekmann, schräg gegenüber, die tägliche Redaktionssitzung mit dem Satz eröffnet: „What’s up today? It’s my dick.“

http://www.taz.de/index.php?id=bildergalerie&tx_gooffotoboek_pi1=1&tx_gooffotoboek_pi1=Bild-Dir-Deinen-Pimmel&tx_gooffotoboek_pi1=combine&no_cache=1
http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/bildhauer-und-provokateur/
http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/wie-viel-schwanz-muss-sein/
http://www.kaidiekmann.de/wie-viel-schwanz-darf-sein/2009/11/17/#more-4142
http://hausblog.taz.de/2009/11/pimmel-ueber-berlin/

Siehe auch:
http://www.kaidiekmann.de/zwei-abhandlungen-uber-die-sexualtheorie/2009/11/19/#more-4333

 

 

 

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