Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

10.03.2010   21:52   +Feedback

Schalom, Frau Pau!

Sie sind doch eine Gute. Sie haben eine kritische Haltung zur DDR und auch einen klaren Blick auf die Mißstände in der Bundesrepublik, vor allem wenn es um Antisemtismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus geht. Wo immer der toten Juden gedacht wird, sind sie dabei, mahnen zur Wachsamkeit und Zivilcourage, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Sie haben am 28. Mai 2008 im Bundestag eine Rede zum 60. Jahrestag der Gründung Israels gehalten, in der Sie u.a. gesagt haben:

“Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, rüttelt am Lebensrecht von Jüdinnen und Juden. Das ist letztlich die logische Konsequenz gerade aus der deutschen Geschichte. Deshalb sollte es im Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend keinen Zweifel geben: 60 Jahre Israel ist auch für uns ein wichtiges Jubiläum. Shalom.”
Kurz zuvor haben Sie als Repräsentantin der Bundesrepublik und Ihrer Partei an einer Antisemitismus-Konferenz in Jerusalem teilgenommen. bei der Gelegenheit haben sie u.a. ausgeführt: “Antisemitismus ist kein Problem der Vergangenheit. Er ist aktuell präsent und findet neue Nahrung. Antisemitismus ist eine menschenfeindliche Idologie, die durch niemanden und durch nichts zu rechtfertigen ist.”

Am 12. März letzten Jahres haben Sie an einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv über “Das Vermächtnis Rosa Luxemburgs für deutsche und israelische Linke” teilgenommen.

Das alles ist sehr nett und sicher auch verdienstvoll, Sie kommen viel rum und lernen interessante Menschen kennen. Aber wenn es darauf ankommt, sind Sie nicht da oder halten sich vornehm zurück. Wo waren Sie, als ihre Parteifreundinnen Wagenknecht, Buchholz und Dagdelen sitzen blieben, während sich die Abgeordneten zu Ehren von Shimon Peres von den Sitzen erhoben? Haben Sie die Sitzenbleiberinnen anschließend über das Existenzrecht Israels und das Vermächtnis von Rosa Luxemburg belehrt? Als dann 50 Abgeordnete Ihrer Fraktion während der Afghanistan-Debatte aufsprangen und Poster mit den Namen der bei Kundus Getöteten entrollten, da weilten Sie gerade in Ihrer Eigenschaft als Vize-Präsidentin des Bundestages in Prag. Schade, es wäre schön gewesen, wenn Sie zusammen mit ihren Freunden des Saales verwiesen worden wären und noch schöner, wenn Sie selber die Sitzung geleitet hätten.

Könnte es sein, dass sie ein wenig Dr. Jekyll und Mr. Hyde spielen? Oder “good cop and bad cop” wie in einem amerikanischen Krimi? Die brave Parteisoldatin nach innen und die parteikritische Reformerin nach außen. Wie finden Sie zum Beispiel die Auftritte ihres Parteifreundes Hermann Dierkes, der das von Ihnen so vehement verteidigte Existenzrecht Israels “läppisch” nennt? Haben Sie diesen lupenreinen Antisemiten, der Hohmann und Möllemann links überholt hat, zurechtgewiesen?

Oder haben Sie es noch vor, möglichst vor Ihrer nächsten Reise nach Jerusalem, wo Sie dann über den Antisemitismus “als eine menschenfeindliche Idologie” sprechen werden, “die durch niemanden und durch nichts zu rechtfertigen ist”?

Es sei denn durch eine Politik, mit der die Anti- und die Philosemiten zugleich bedient werden.

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