Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

29.01.2010   17:41   +Feedback

Sibylle weckt den Leu

Spätestens seit Otto Weiningers Arbeit über “Geschlecht und Charakter” wissen wir, dass man nicht Mann oder Antisemit von Geburt sein muss, um Frauen oder Juden nicht leiden zu können. Und so wie es Juden gibt, die sich zu Judenhassern hingezogen fühlen (wie Moishe Arye Friedman zu Mahmud Ahmadinejad oder Norman Finkelstein zu der Hisbollah), so gibt es auch Frauen, die dem Frauenhass und der Frauenverachtung das Wort reden, wie die Rechtssoziologin Sibylle Tonnies in einem Beitrag für den TS über die Gefahren, die der Gesellschaft im Falle eines Burkaverbots drohen: “Die Folgen der Eliminierung der verschleierten Frauen aus dem öffentlichen Leben sind unabsehbar. Immerhin sind die militantesten muslimischen Kreise in ihren Interessen berührt. Ohne Übertreibung lässt sich sagen: Hier wird der Leu geweckt – der Löwe. Tausende von jungen muslimischen Männern lungern auf den Straßen und warten auf ihren Einsatz. ‘Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte der Feuerzunder still gehäuft, das Volk, zerreißend seine Kette, zur Eigenhilfe schrecklich greift!’“

Wie es sich für eine Angehörige der gebildeten Stände gehört, untermauert sie ihr opportunistisches Gelaber mit Zitaten von Schiller und Reflektionen über die Französische Revolution. http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Frankreich-Schleier-Muslime;art141,3013953

Frau Tönnies könnte die Reaktionen der militantesten muslimischen Kreise abfedern, wenn sie sich aus Solidarität mit den Burka tragenden Frauen ebenfalls ein Ganzkörperkondom überziehen würde, wofür ihr Tausende von jungen muslimischen Männern dankbar wären, die herumlungernd auf ihren Einsatz warten. Sie sind nicht die einzigen Testosteron-Bomben, um deren Seelenheil sich die 1944 geborene Enkelin des Soziologen Ferdinand Tönnies sorgen macht. Zuletzt waren es Berliner und Brandenburger Rechtsradikale, deren Aufmarsch sie “in erschütternder Weise an einen KZ-Marsch” erinnerte: “Die rasierten, geneigten Köpfe, die bewaffnete Eskorte… Diese Nazis befinden sich in Schutzhaft…, die Polizei schützt sie vor den Angriffen einer zum Lynchen aufgelegten Menge.” http://www.henryk-broder.de/html/schm_toennies.html

Und so wie gestern die Nazis geschützt werden mussten, so müssen heute Tausende von jungen muslimischen Männern vor unkontrollierten Ausbrüchen ihrer eigenen Emotionen geschützt werden.  Damit sie weiter in aller Ruhe herumlungern und auf ihren Einsatz warten können, derweil Frau Tönnies vermutlich schon nach der nächsten Gruppe Ausschau hält, über die sie ihre Empathie ausschütten kann. Wie die Dinge stehen, können es nur die von Aussteigeprogrammen bedrohten Taliban sein.

Siehe auch:
Ich “befürworte” das Tragen von Burkas nicht. Wenn ich es befürworten würde, würde ich eine tragen. Ich befürworte aber das Recht von Frauen, und zwar jeder Frau, Ämter und Behörden aufzusuchen, ohne dort schlechter behandelt zu werden als andere; ich befürworte das Recht jeder Frau, Nahverkehrsmittel zu benutzen und sich ungehindert in der Öffentlichkeit zu bewegen. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/2243482_Lila-Latzhose-contra-Burka.html

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