Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

29.06.2010   17:27   +Feedback

Forscher im freien Fall

Was macht eigentlich das “Expertengremium gegen den Antisemitismus”, das der Bundestag auf Drängen einiger NGOs ins Leben gerufen hat? Schwer zu sagen, denn es hält seine Seancen, wenn überhaupt, hinter zugezogenen Gardinen ab. Jedenfalls scheint sein Wirken auf die Entwicklung des Antisemitismus im Lande bestenfalls ergebnisneutral zu sein, das heisst, die Antisemiten machen weiter, egal was das “Expertengremium” unternimmt oder unterlässt.

Nun hat Dr. Juliane Wetzel vom Berliner “Zentrum für Antisemitismusforschung” gegenüber dem Tagesspiegel erklärt: “Es ist schon seit Jahren so, dass gewalttätige Übergriffe auf Juden in Deutschland vor allem dann erfolgen, wenn im Nahostkonflikt etwas passiert.”
Es handelt sich um einen Konditionalsatz, der wie alle “Wenn-dann-Sätze” einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung herstellt. Wenn es im Nahen Osten kracht, nimmt die Gewalt gegen Juden in Deutschland zu. Schon möglich, dass es sich tatsächlich so verhält, dass es statistisches Material gibt, das die Behauptung rechtfertigt. Aber auch dann müsste man sich fragen: Reicht das, um eine Relation herzustellen?

Wie war das z.B. zur Zeit des Kosaken Bogdan Chmielnicki, der mit seinen Truppen im Laufe eines Jahres etwa 300.000 Juden massakriert hatte? War das eine vorweggenommene Reaktion auf die Ereignisse im Nahen Osten? Wie beim Pogrom von Odessa 1821, beim Pogrom von Kischinew 1903, beim Pogrom von Kielce 1946?

Was den Antisemitismus angeht, befindet sich Frau Dr. Wetzel argumentativ im freien Fall, ebenso wie ein anderer großer Antisemitismusexperte, Jürgen W. Möllemann, der Sharon und Friedman als Ursachen des zunehmenden Antisemitismus ausgemacht hat. Während man Möllemann eine intellektuelle Unbedarftheit zugute halten muss, demonstriert das Statement von Frau Wetzel nur den erbärmlichen Zustand der Antisemitismusforschung, die sich mit der Frage beschäftigt, WARUM Juden verfrolgt werden, statt nach einer Antwort zu suchen, warum JUDEN verfolgt werden. Dass der Chef von Frau Wetzel, Prof. Benz, dabei zwischen Antisemitismus und Antizionismus unterscheidet, macht auf die “Israelkritiker” keinen Eindruck. Wenn sie keine Zionisten finden, an denen sie sich abarbeiten können, tuns auch ein paar Juden bei einem Stadtteilfest. Oder sie versuchen, eine Synagoge abzufackeln, wobei sie eine klare Warnung zurück lassen: ““Sobald ihr nicht den Palästinensern Ruhe gibt, geben wir euch keine Ruhe.”

Und so schliesst sich die erkenntnistheoretische Lücke zwischen den Antisemiten und den Antisemitismusforschern. Die einen geben den Juden die Schuld für alles, was sie ihnen antun, während die anderen versuchen, dem Antisemitismus und den Juden zugleich auf den Leib zu rücken.

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