Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

17.05.2010 17:18 +Feedback
Eine Gruppe amerikanischer Touristen besucht die Moskauer Metro. Der russische Tourguide erzählt, dass es die beste und perfekteste Metro der Welt ist. Sogar die Luft in den Bahnhöfen sei so sauber, dass Allergiker und Astmatiker Metrofahrten als Kur verschrieben bekämen. So geht das eine Weile, ein Superlativ jagt das andere, bis sich schliesslich ein Tourist aus der Gruppe zu Wort meldet und fragt: “Und warum ist seit einer halben Stunde kein Zug mehr vorbeigefahren?” Darauf der Tourguide: “Und warum werden in Amerika die Neger verfolgt?”
Genau nach diesem Muster reagierten einige Achgut-Leser auf unsere Beiträge über den früheren südafrikanischen Richter Richard Goldstone, der während seiner Amtszeit 28 Angeklagte zum Tode verurteilt hatte, obwohl er in seinem Herzen ein Gegner der Todesstrafe und -natürlich- der Apartheid war. Er wollte eben das System von innen her reformieren, wie vor ihm schon andere furchtbare Juristen, Hans Globke und Hans Filbinger, nur um die bekanntesten Mutanten der deutschen Justiz zu nennen.
Eine New Yorker Leserin, deren Herz für die ausgebeuteten und unterdrückten schwarzen Sklaven auf den Baumwollfeldern von Alabama schlägt, schrieb uns:
“Foolish and decontextualized character assassination of an amazing person because you don’t like one thing he did is evil… And have the same people ever critiqued US judges who may disagree with the death penalty, but have been forced to uphold it nonetheless, even though there is little dispute today that it’s disproportionately used against blacks?”
Klingt doch ganz wie der Witz aus der Moskauer Metro, nicht wahr? Man könnte der Leserin natürlich antworten, dass es einen Aufschrei der Empörung in ihren liberal-permissiven Kreisen geben würde, wenn ein US-Richter, der die Todesstrafe 28 verhängt hatte, den Auftrag bekäme, einen Bericht über die Situation der Menschenrechte in - sagen wir - Kambodscha oder Somalia zu schreiben. Dass ein Richter mit einer solchen “history” für einen solchen Job vollkommen disqualifiziert wäre, egal wie qualifiziert er als Jurist sein mag. Das wäre so, als würde man einen ehemaligen Chef des Medellin-Kartells zum Drogenbeauftragten ernennen, weil er sich halt in dem Gewerbe gut auskennt.
In einer weiteren email teilte uns die Leserin aus den USA mit:
“Has it even occurred to you to ask why no one in the former S. Africa anti-apartheid community seems to agree with you on this? You are writing about a country and a situation you know nothing at all about, and yet somehow you think you have the right to make statements about it. That’s about as arrogant as it gets…”
Die Frage, warum sich niemand aus der former S. Africa anti-apartheid community über Goldstone aufgeregt hat, ist in diesem Kontext zwar vollkommen irrelevant, aber dennoch sehr einfach zu beantworten. Weil die former S. Africa anti-apartheid community so korrupt und so verkommen ist, dass sie sich über nichts aufregt, nicht einmal über die Wahl eines imbezilen mutmasslichen Vergewaltigers zum Staatspräsidenten eines Landes, das die Vergewaltigungsstatistik anführt, oder über die Pogrome an Flüchtlingen aus den Nachbaarstaten.
Im übrigen handelten die Beiträge nicht von einem Land you know nothing at all about, sondern von einem Juristen, an dessen Händen Blut klebt und der nicht trotz sodern wegen seiner Karriere als Richter und Henker als moralische Instanz gefeiert wird. Denn egal, was Goldstone in Südafrika gemacht hat, mit seinem Bericht über Gaza, der nicht einmal beim Amtsgericht von Dreieich als Beweismittel zugelassen würde, hat er sich in die Herzen der “bleedings hearts” befördert. Oder wie es ein begeisterter achgut-Leser schrieb: “Selbst wenn Goldstone 280 Todesurteile unterschrieben hätte: Was beweist das über die Richtigkeit des Gaza-Reports? Garnichts.” Stimmt, Goldstone’s Gaza-Bericht bleibt was er ist: Das Machwerk eines Opportunisten, der immer das abliefert, was man von ihm erwartet, als Richter und als Gutachter. In 20 bis 30 Jahren wird Goldstone erklären, heimlich sei er auf Seiten von Israel gewesen, er habe nur versucht das Schlimmste zu verhüten.
Daniel Dagan macht in seinem Blog darauf aufmerksam, dass Goldstone einigen feinen Vereingungen angehört. U.a. dem International Center for Ethics, Justice, and Public Life an der Brandeis-Universität, der American Academy of Arts and Sciences, der New York City Bar, die kein Verein fröhlicher Trinker sondern eine anwaltliche Standesvertretung ist.
Auch gut. Wenn Libyen in den Menschenrechtsrat gewählt werden kann, dann kann Richter Goldstone auch dem International Center for Ethics, Justice, and Public Life angehören. Such is life.
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