Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

13.04.2010   23:45   +Feedback

Der Kolboinik - eine Idee geht um die Welt

Einige der wichtigsten Erfindungen der Menschheit (vom Feuer, Rad und Geschlechtsverkehr abgesehen) wurden in Israel gemacht: Das erste Instant-Messenger-Programm ICQ, der USB-Stick und die Cherry-Tomate. Nur wenige allerdings wissen, dass auch der “Kolboinik” in Israel erfunden wurde, und das schon vor vielen Jahrzehnten, als man für die 60 Kilometer von Tel Aviv nach Jerusalem noch drei bis vier Stunden brauchte. Zeit war das einzige Gut, das man im Überfluss hatte, alles übrige war knapp, vor allem Lebensmittel. Und wenn im “Chader Ochel”, dem Speisesaal eines Kibbutz, gegessen wurde, stand auf jedem Tisch ein “Kolboinik”, in den die Speisereste kamen, die dann an das Vieh verfuttert wurden.

Der “Kolboinik”, eine einfache Schüssel aus Glas oder ein Topf aus Emaille, ist der Vorläufer des kleinen Schwingdeckeleimers aus Plastik, den man heute in jeder Pension an der Ostsee, im Harz und sogar am Gardasee findet. Er ist bei den Gästen ebenso beliebt wie beim Personal, weil er für Ordnung auf den Tischen sorgt und das Aufräumen enorm erleichtert. Die Vollendung der “Kolboinik”-Idee sind freilich die runden Stehtische, die in Schnellgaststätten, Autobahn-Raststätten und Imbissen benutzt werden. Sie haben ein Loch in der Mitte, in das die Pappteller mitsamt den Essensresten entsorgt werden. Einfach, schnell und endgültig. Es soll Leute geben, die nur deswegen eine Currywurst bestellen, um den letzten Zipfel der Wurst in dem Loch in der Mitte des Tisches verschwinden zu sehen. Was immer Freud dazu sagen würde - fest steht, dass der “Kolboinik” das Tischverhalten von Generationen geprägt hat. In Israel und in der ganzen Welt.

Wer also dazu aufruft, israelische Produkte und Erfindungen zu boykottieren, sollte damit am eigenen Tisch anfangen, bei der Beseitigung der unvermeidlichen Abfälle. Ab sofort werden die Eierschalen mitgegessen, die Teebeutel recycelt und die verkohlten Toastscheiben an “Brot für die Welt” gespendet. Weg mit dem Kolboinik! Freiheit für den Müll!

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