Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

21.03.2010   05:10   +Feedback

Hermann und das Völkerrecht

Mit einem Antisemiten zu diskutieren, ist so sinnvoll, als würde man einen pädophilen Pfarrer dazu bringen wollen, seine Messdiener in Ruhe zu lassen. Beide sind nicht nur fest davon überzeugt, dass sie es gut meinen, sondern auch, dass sie für die Objekte ihrer Begierde nur das Beste wollen. Beide haben kein Unrechtsbewusstsein. Der einzige Unterschied liegt darin, dass der pädophile Pfarrer seiner Lust im Darkroom hinter dem Altar frönt, während der Antisemit die Öffentlichkeit geradezu sucht.

Bei Tageslicht betrachtet sind beide arme Schweine, Triebtäter am Rande eines Abgrunds.

Charakteristisch für den Antisemiten ist, dass er nur reagiert. Es sind die Juden, die ihn dazu zwingen. Gäbe es keine Juden, müsste der Antisemit nicht aktiv werden. Deswegen macht er die Juden sowohl für deren schlechtes Benehmen wie für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Der Antisemit verteidigt sich immerzu (“Deutsche wehrt Euch! kauft nicht bei Juden!”); er ist das Opfer, der Jude der Aggressor, gegen den der Antisemit sich nur zur Wehr setzt.

Der Duisburger Lokalpolitiker Hermann Dierkes ist der Prototyp des aufrechten Antisemiten, der von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gerbrauch macht und es mit den Juden gut meint. Erwischt man ihn mit beiden Armen im Mustopf seiner Ressentiments, behauptet er entweder, er habe es so nicht gesagt oder nicht so gemeint und schickt eine Gegendarstellung, die er “Contradiction” nennt; denn beim Nahost-Konflikt kennt er sich bestens aus, nur mit dem Englischen hapert es noch ein wenig:

= Contradiction to Your Berlin correspondents (Benjamin Weinthal) article „German Politician belittles Holocaust“, Jerusalem Post march 14th, 2010

1. You write, that I “was caught on video”, delivering a hate diatribe against Jews and the state of Israel.
The truth is: The public meeting in November last year was taken on video by the group called Public Solidarity in consent with me and put into the internet.

2. You assert, that I had engaged in “hate diatribe against Jews and the State of Israel”
The truth is: In accordance with the declaration of human rights and the international law, I did criticise the actions of the Israeli government and army against the Palestinians.

3. You write, that I had “slammed” Israels official definition as a Jewish state.
The truth is: I am in favour of a modern Israel for all its citizens, as there are many non-Jews among them and upholding this state doctrine will lead to insoluble conflicts.

4. You write: “He said, that the Palestinians have the right to armed resistance” and that I “played down Palestinian rocket attacks against Israeli civilians (…)”
The truth is: In accordance with international law, I do defend the right of self-defence of an oppressed and occupied people, if necessary by means of armed struggle. On the meeting I took my distances against the indiscriminate firing of self-made rockets against Israeli civilians because this is not in accordance with international law. Even then, when the balance-sheet of victims between these rockets and the massacre perpetrated by the Israeli army against Palestinian civilians is completely out of proportion.

5. In quoting Mr. Kramer (Jewish Central Committee of Germany), You assert, that I deny the singularity of what of the Nazis have done to the Jews.

The truth is: On the meeting, I denounced the Nazi-genocide against the European Jews as being a crime against humanity. I also reminded the audience of the fact, that some more big crimes have been perpetrated by German governments as the onslaught on the former Soviet Union, which caused 21 million deads and up to now is belittled and has never met an appropriate answer. To conclude from this, that I – as You assert - “belittled” the singular industrial genocide against 6 million Jews is a complete distortion of what I have said and stand for.

I urge You to immediately publish this contradiction in the Jerusalem Post.
Hermann Dierkes=

Auch die FR bekam von HD eine “Gegendarstellung”, deren Annahme und Abdruck die FR freilich verweigerte. Worauf sie an anderer Stelle erschien. Die deutsche “Gegendarstellung” ist nicht ganz so lustig und sophisticated wie die englische “Contradiction”, zielt aber in dieselbe Richtung: “In Übereinstimmung mit dem Völkerrecht” erklärt HD aus Duisburg bei Meiderich, wie der Nahostkonflikt gelöst werden soll. Er sagt nicht, wie er sich eine Lösung der Tibet-Frage oder des Konflikts um Darfur vorstellt, nein, seine Domäne ist die Nahostfrage. Da kennt er sich aus, da ist er zu Haus. Sein Stammtisch steht mit allen vier Beinen in Palästina.

Am 18.3. erschien in der jungen Welt, dem Zentralorgan der deutschen Nationalkommunisten, ein Interview mit HD, in dem er seine Gemütslage erklärte. Er stellte sich in eine Reihe mit “Ilan Pappe, Moshe Zuckermann und Norman Finkelstein”, die ebenso wie er verleumdet würden. Das Buch, das er in Duisburg vorgestellt hatte, wäre “auch eine Antwort auf die gegen mich gerichtete Rufmordkampagne”, für die er “die selbsternannten Freunde Israels” verantwortlich machte, ohne zu sagen, wer ihn, Hermann Dierkes aus Duisburg, zum Beauftragten für den Nahen Osten ernannt habe. Das ganze Interview liest sich, als würde ein Hauptschüler, der soeben einen Physikbaukasten geschenkt bekommen hat, die Quantentheorie neu erfinden: Alles Deppen, außer Hermann. Es atmet infantilen Größenwahn, der souverän die Regeln der Logik und Grammatik missachtet. Er bewege sich, sagt der Herr der Binse, “auf den programmatischen Grundlagen der Linkspartei” und dazu zählen bis heute “das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Völker, der Einsatz für die Menschenrechte und das Völkerrecht, der Kampf gegen Rassismus jeder Schattierung, Demokratie und Meinungsfreiheit”.

So hat ers gesagt. Aber gemeint hat ers vermutlich ganz anders. HD wäre nicht der erste Sprücheklopfer, dem im “Kampf gegen Rassismus jeder Schattierung, Demokratie und Meinungsfreiheit” die Orientierung abhanden kommt.

Siehe auch: Mit Dierkes durch dick und dünn
http://www.scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=9352&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=64803da3be
http://www.mein-parteibuch.com/blog/2010/03/18/aufstehen-fuer-hermann-dierkes/
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/prop1382.html
http://www.ruhrbarone.de/dierkes-lesung-ausschreitungen-auf-antisemiten-veranstaltung-in-duisburg/
http://www.xtranews.de/2010/03/15/dierkes-in-duisburg-wird-berichtet-notgedrungen/
http://www.linksfraktion.de/pressemitteilung.php?artikel=1253264346
http://www.mein-parteibuch.com/blog/2010/03/20/wdr-fuehrt-kampagne-gegen-hermann-dierkes-fort/

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