Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

19.03.2010   22:44   +Feedback

Kein Grund für einen Rückruf

Der japanische Autobauer Toyota hat in den USA rund 2.3 Millionen Autos in die Werkstätten zurück gerufen, nachdem Probleme mit dem Gaspedal bekannt wurden. In Europa waren es etwa 1.8 Millionen Rückrufe. Toyota produziert jedes Jahr weltweit etwa sieben Millionen Autos. Nach Angaben der amerikanischen Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA sollen in den vergangenen 10 Jahren 19 Toyota-Fahrer bei Unfällen aufgrund eines klemmenden Gaspedals ums Leben gekommen sein. Nach Angaben von USA Today waren es 43 Unfälle mit 52 Toten.

Selbst wenn man die höheren Zahlen von USA Today nimmt und sie ins Verhältnis zu den jährlich sieben Millionen Toyotas setzt, die vom Fliessband auf die Strasse rollen, ist die Zahl der Unfälle, die ein defektes Gaspedal verursacht haben soll, so gering, dass sie statistisch nicht ins Gewicht fällt. Trotzdem wurden über vier Millionen Autos zurückgerufen.

Toyota könnte sich viel Ärger und noch mehr Kosten ersparen, wenn die Firmenleitung erklären würde: “Eigentlich sind wir eine Glaubensgemeinschaft (“Nichts ist unmöglich!”), Autos bauen wir nur nebenbei. Bei 19 tödlichen Unfällen in zehn Jahren, die ein defektes Gaspedal verursacht haben soll, weisen wir jede Verantwortung von uns. Es kommen jedes Jahr mehr Hausfrauen beim Fensterputzen ums Leben, und niemand käme auf die Idee, dafür die Hersteller der Leitern haftbar zu machen.”
So was wäre total gaga? Von wegen. Genauso wird argumentiert, allerdings nicht wenn es um Autounfälle sondern um Terror geht.

In derselben Ausgabe von USA Today findet sich auch ein Leserbrief des Vizepräsidenten der Islamic Resource Group - Minneapolis, Tam Saidi: “Muslims in USA have much in common with neighbors”. Darin heisst es u.a.: “Yes, there are a few extremists among the 1.57 billion Muslims worldwide, just as there are non-Muslim extremists such as Timothy McVeigh, Eric Rudolph and Joseph Stack.”
Ein Argument, das man nicht einfach vom Tisch wischen sollte. Timothy McVeigh, der Oklahoma-Bomber, verübte einen Anschlag, bei dem hunderte von Menschen getötet und verletzt wurden; Eric Rudolph verübte ein Bombenattentat, bei dem zwei Menschen starben und über 100 verletzt wurden; Joseph Stack schliesslich stürzte sich mit einem Kleinflugzeug in ein Gebäude der US-Steuerbehörde IRS und hinterliess einen pathetischen Abschiedsbrief an seine Freunde.

Ja, Fanatiker und Verrückte gibt es überall, in jeder Gesellschaft, jeder Religion, jeder Eckkneipe. Die Moslems haben ihren Mohammed Bouyeri, die Christen ihren Scott Roeder und die Juden ihren Yigal Amir.

Deswegen wäre es vollkommen verkehrt, dem Islam eine besondere Affinität zur Gewalt zu unterstellen. Die Anschläge von 9/11 gingen auf das Konto von Indianern, die beim Verkauf der Halbinsel Manna-hata über den Tisch gezogen worden waren; das Blutbad von Madrid wurde von militanten Tierschützern angerichtet, die ein Zeichen gegen den Stierkampf setzen wollten, in der Londoner U-Bahn waren walisische Separatisten am Werk und in Mumbai ein Team von “Verstehen Sie Spass?” zu einem Außendreh unterwegs. Und von den spektakulären Aktionen der afghanischen Friedensbewegung, die sich “die Taliban” nennt, wollen wir gar nicht reden.

Es gibt also keinen Grund, mit dem Finger auf Moslems zu zeigen oder auch nur einige von ihnen zur Inspektion in eine Werkstatt zu rufen. Das bestätigt seit kurzem auch eine Statistik, derzufolge islamische Gruppen nur für 0.4% aller Terroranschläge in Europa verantwortlich sind. Das ist sensationell und wird nicht nur die Opfer der Anschläge von London und Madrid trösten, sondern auch die Jungs von der “Sauerlandgruppe” nachträglich entlasten.

Fragt sich nur, wer die Statistik erstellt hat. Vermutlich die gleichen Experten, die uns früher davon überzeugen wollten, dass die DDR die siebtgrößte Industrienation der Welt war.

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