Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

18.08.2010   09:57   +Feedback

Eine Botschaft an die Umma

Während die ”Ärzte ohne Grenzen” bei ihrer Tätigkeit in Pakistan auf “die kulturellen und religiösen Traditionen achten”, um die religiösen Gefühle ihrer Patienten nicht zu verletzten, wozu auch gehört, dass sie Frauen nicht behandeln, wenn deren Männer es nicht wünschen, während pakistanische Soldaten in den Katastrophengebieten aus Anlass des Nationalfeiertages Fahnen verteilen und während die Taliban dazu aufrufen, keine Hilfe von den Ungläubigen anzunehmen, fragen sich Millionen von tagesschau- und heute-Zuschauern jeden Abend, warum die Gläubigen ihren Brüdern und Schwestern nicht zu Hilfe eilen, ganz halal und streng nach den Regeln des Propheten, z.B: die “Organisation der Islamischen Konferenz”, die größte islamische Organisation und die zweitgrößte (nach den UN) überhaupt.

“The Organization of the Islamic Conference (OIC) is the second largest inter-governmental organization after the United Nations which has membership of 57 states spread over four continents. The Organization is the collective voice of the Muslim world and ensuring to safeguard and protect the interests of the Muslim world in the spirit of promoting international peace and harmony among various people of the world. The Organization was established upon a decision of the historical summit which took place in Rabat, Kingdom of Morocco on 12th Rajab 1389 Hijra (25 September 1969) as a result of criminal arson of Al-Aqsa Mosque in occupied Jerusalem.”

Schauen wir also auf der Homepage der OIC nach, was die collective voice of the Muslim world bis jetzt unternommen hat. Die Topmeldung des Tages lautet: “OIC Secretary General receives New Permanent Representative of Iran”. Das ist für den Anfang schon mal nicht schlecht, es könnte ja sein, dass die beiden über Hilfen für Pakistan beraten haben. Leider steht in der Meldung nichts darüber. Die zweite Mitteilung ist noch aufregender: “The OIC Secretary-General Commends the Order of the Custodian of the Two Holy Mosques King Abdullah Ibn Abdulaziz Confining Fatwa to the Board of Senior Scholars.” Und während die UNO erste Cholera-Fälle in Pakistan meldet, richtet der GS der OIC eine Botschaft an die Jugend der Welt (“Message of the Secretary General of the OIC, H.E. Prof. Ekmeleddin Ihsanoglu on International Youth Day”) und äußert sich besorgt über die Lage in Kaschmir (“OIC Secretary General Voices Deep Concern At The Latest Violence In Kashmir”). Es follgt eine Botschaft an die Umma aus Anlass des Ramadan-Festes (“Message of the Secretary General of the Organization of the Islamic Conference to the Islamic Ummah on the occasion of the advent of the Holy Month of Ramadan”). Endlich, an sechster Stelle, ein Appell der OIC an die “Member States of the OIC, their citizens, philanthropists, civil society organizations, and to all people of good will in the international community at large” zugunsten der Opfer der Flutkatastrophe zu spenden.

Mehr ist nicht drin. Offenbar verfügt die größte islamische Organisation und die zweitgrößte der Welt über zu wenig Personal und keine eigenen Ressourcen, um mit gutem Beispiel voranzugehen und Pakistan auf eine Weise zu helfen, die auch die Taliban zufriedenstellen würde. Lieber appelliert sie an “all people of good will in the international community”, ein paar Almosen rauszurücken.

Aber wenn demnächst ein Karikaturist den Propheten Mohammed beleidigt, wird die OIC den Kampf gegen die grassierende Islamophobie wieder auf die Tagesordnung setzen und sich der verletzten Gefühle der Moslems annehmen. So ähnlich wie die Ärzte ohne Gewissen.

 

 

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