Dienstag, 18.37 Uhr, bei “Exclusiv” arbeiten Boris und Lilly Becker an Baby Nr. 2, Marc Terenzi fragt sich, ob er versehentlich ein Kind gezeugt hat, die Schauspielerin Selma Blair geniesst ihre erste Schwangerschaft und bei mir klingelt das Telefon. Nein, es ist nicht Frauke Ludowig, die anruft, sondern der Pressesprecher von Cem Özdemir und Claudia Roth. Er nutzt die kurze Werbepause zwischen Marc Terenzi und Selma Blair, um mir zu sagen, dass ich zwei Texte richtigstellen soll, diesen und diesen. Ich hätte “falsche Tatsachenbehauptungen” über Frau Roth verbreitet.

Ich frage den Pressesprecher von Frau Roth, warum er nicht eine Gegendarstellung verlangt habe. Da sei er grad in Urlaub gewesen, sagt der Pressesprecher. Gut, sage ich, was kann ich für Sie oder Frau Roth tun? Sie müssen die Berichte richtigstellen, sagt der Pressesprecher. In Ordnung, sage ich, ich könnte ja Frau Roth oder ihren Pressesprecher interviewen, um deren Sicht der Dinge darzustellen. Nein, das geht nicht, sagt der Pressesprecher. Ich könnte doch nicht Texte, die schon erschienen sind, nachträglich umschreiben, sage ich. Doch, sagt der Pressesprecher von Frau Roth, das müsste ich tun. Ich komme mir vor, als wäre ich beim ZK der SED vorgeladen, sage ich. Sie haben mich beleidigt! ruft der Pressesprecher von Frau Roth, das schreib ich mir auf! Und was fangen Sie mit dem Vermerk an, frage ich, bei wem wollen Sie mich anzeigen? Beim Politbüro?

So geht das Gespräch zwischen dem Pressesprecher von Frau Roth und mir hin und her, bis mir nach genau sieben Minuten klar wird, dass es nicht der Pressesprecher von Frau Roth ist, der mich angerufen hat, sondern der Pressesprecher des ungarischen Ministerpräsidenten, dessen Regierung vor kurzem ein neues Pressegesetz durchgesetzt hat, das die Medien zur ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet.

Aber da ist es schon zu spät. “Exclusiv” ist vorbei, und ich werde nie erfahren, ob Marc Terenzi wieder Vater oder nur der nächste Pressesprecher von Frau Roth wird.

Siehe auch:
Grüne Nerven liegen blank
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