Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

04.12.2010   23:41   +Feedback

“Der von Ihnen gewählte Artikel kann leider in unserer Datenbank nicht gefunden werden”

Kaum war auf WELT-online ein Artikel über “Mohammeds-Weg-vom-Goetzenanbeter-zum-Propheten” erschienen, verschwand er wieder aus dem Netz. Wer den Link anklickt, bekommt die Auskunft: “Der von Ihnen gewählte Artikel kann leider in unserer Datenbank nicht gefunden werden”. Was wie ein technisches Problem anmutet, ist eine Entscheidung der Chefredaktion. “Es hat gegen den Autor des Artikels Drohungen gegeben. Daher sind wir dem Wunsch des Autors gefolgt, den Artikel zu seinem Schutz offline zu nehmen”, teilte der stellvertretende Chefredakteur der Welt einem Leser auf Anfrage mit.

Man sollte die Reaktion der Redaktion nicht zu sehr verspotten. Die ZEIT, der SPIEGEL, der STERN hätten sich vermutlich ebenso verhalten, von der SZ gar nicht zu reden. Der Skandal liegt vor allem darin, dass ein solcher Vorgang kaum mehr als Achselzucken auslöst. Man ist eben kultursensibel und will religiöse Gefühle nicht verletzten, vor allem dann, wenn sie mit einem klaren Bekenntnis zur angewandten Gewalt daherkommen. Auf der Website der “Islambrüderschaft”, deren Leser sich über den WELT-Artikel echauffiert hatten, war auch ein Bild des ermordeten Theo van Gogh zu sehen, mit einem Messer in der Brust, darunter die Zeile: “Die Belohnung für die Beleidigung der Religion Gottes”.

So viel zu der “Islamisierung”, die nicht stattfindet.

Etwa zur gleichen Zeit, als die Welt den Mohammed-Text online stellte und gleich wieder offline nahm, erschien das französische Satiremagazin CHARLIE HEBDO mit einer Karikatur von Benedikt XXVI auf der Titelseite. Der Pontifex hält ein Kondom in die Höhe und sagt: “Das ist mein Leib”. Für gläubige Christen eine ungeheure Beleidigung, handelt es sich doch um den zentralen Satz der Eucharistie. Aber niemand beschwerte sich, kein Bischof, kein Kardinal, kein Vikar. Und keine katholische Bruederschaft drohte mit einem Blutbad.

Vor kurzem freilich musste sich CHARLIE HEBDO vor Gericht wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft verantworten. Das Magazin hatte die 12 Mohammed-Karikaturen aus Jyllands-Posten nachgedruckt, zwei moslemische Organisationen reichten Klage ein. Der Prozess endete mit einem Freispruch, ebenso wie ein früheres Verfahren.

Den gelöschten Mohammed-text finden Sie hier.

Und wenn Sie hier klicken, finden Sie den gleichen Artikel in der WELT vom 15.2.2008 noch einmal. Oder ist es etwa derselbe? Und man hat nur vergessen, ihn zu löschen?

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