Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

23.04.2011   01:10   +Feedback

Frieden in Flaschen

Die Tage um Ostern sind die Hochsaison der Antisemiten. Früher haben sie Pogrome veranstaltet, obwohl es noch kein Israel, keinen Nahostkonflikt und keine “humanitäre Krise” in Gaza gab. Mittlerweile sind Pogrome (von Hoyerswerda und Mügeln mal abgesehen) aus der Mode gekommen, u.a. deswegen, weil durch das Abfackeln von Menschen und Häusern zu viel CO2 freigesetzt wird. Aber es wäre zu schade, wenn man aus ökologischen Gründen ganz auf die Judenhatz verzichten müsste. Da bietet die Friedensbewegung eine saubere, umweltverträgliche Alternative: Die Ostermärsche. Auch heuer wird nicht nur für den Frieden im Allgemeinen, für den Abzug der BuWe aus Afghanistan, für die Abschaltung der Atomkraftwerke, für eine gerechte Weltordnung, sondern auch für “das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung Palästinas” demonstriert. Die Bundesregierung soll “Druck auf die israelische Regierung ausüben, endlich die völkerrechtswidrige Besatzung zu beenden”.
Nun ist derzeit ziemlich viel los, zwar nicht in “Palästina”, dafür aber in der arabischen Welt. In Ägypten und im Jemen, in Algerien und in Tunesien, in Libyen und in Syrien. Und da wäre es im Prinzip keine schlechte Idee, sich für das Selbstbestimmungsrecht der arabischen Völker einzusetzen, die gegen eine jahrzehntelange Unterdrückung durch ihre eigenen Despoten rebellieren. Aber auf so eine Idee kommen die friedensbewegten Flaschen nicht mal ansatzweise. Seit über 40 Jahren agitieren sie gegen den Zionismus, und da sollen sie von jetzt auf gleich damit aufhören, nur weil ein paar durchgeknallte Araber “den Frieden in der gesamten Region” nicht durch Israel bedroht sehen, sondern durch die Cliquen, von denen sie regiert werden? Es stört sie auch nicht, dass Misrata ein Schlachtfeld ist, auf dem Gaddafis Leute Zivilisten abknallen als wärens Hasen. Würde es sich nämlich um Hasen handeln, wäre die Friedensbewegung längst für eine bewaffnete Intervention. So aber hat nicht einmal Konstantin Wecker gedroht, er werde ein Konzert in Misrata geben, wenn die Belagerung nicht aufgehoben wird. Und von den “human shields”, die zu Dutzenden nach Bagdad gepilgert sind, um Saddam Hussein unter vollem Körpereinsatz zu beschützen, hört man auch nichts mehr. Die hocken jetzt alle in Stuttgart auf den Bäumen.

Siehe auch:
Vor dem diesjährigen Ostermarsch sind SPD und DGB in Kassel auf Distanz zur Friedensbewegung gegangen. Mit harschen Worten verweigern sie dem Aufruf, mit dem das Kasseler Friedensforum für die Demonstration am Ostermontag wirbt, ihre Unterstützung. http://www.fr-online.de/rhein-main/aerger-um-ostermarsch/-/1472796/8369184/-/index.html

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