Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

20.03.2011   10:05   +Feedback

Neutralität ohne Herz

Wenn ein deutscher Politiker bzw. eine deutsche Politikerin seine bzw. ihre Passivität angesichts eines Notstands damit erklärt, man sei “nicht neutral” bzw. es könnte “keine Neutralität des Herzens geben”, dann muss man mit dem Schlimmsten rechnen, auch mit einem Blutbad, bei dem die Deutschen den Opfern keine Hilfe leisten, aber emotional bewegt und keineswegs neutral abseits stehen. So etwa muss es die Kanzlerin gemeint haben, als sie erklärte, “Deutschland steht nicht neutral zu Flugverbot über Libyen” und damit die deutsche Enthaltsamkeit im UN-Sicherheitsrat begründete. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Lufteinsatz über Libyen sei “nicht hudertprozentig durchdacht”, ganz im Gegenteil zu ihrer Spontanentscheidung in der Atomfrage zum Beispiel.

Womit wir im Jahre 1973 wären, als Willy Brandt Bundeskanzler und Angela Merkel in der FDJ war, weil sie “dazugehören wollte”. Im selben Jahr fand im Nahen Osten der Jom Kippur-Krieg statt und Willy Brandt sagte: “Für uns Deutsche gibt es gegenüber Israel keine Neutralität des Herzens.” Zugleich untersagte er den Amerikanern, militärisches Material von Bremerhaven aus nach Israel zu verschiffen, wissend, dass Israel ohne Nachschub es nicht lange machen würde. Denn wichtiger als das Überleben des Judenstaates war die deutsche Neutralität bei militärischen Konflikten. Worum es damals ging, lesen sie hier und hier.

Aber eine “Neutralität des Herzens” gibt es nicht, weder damals noch heute. Deswegen werden die Deutschen den Libyern mit Rat und Tat beistehen und ihnen “Anti-Konflikt-Teams” ins Land schicken, die den Rebellen beibringen werden, wie man Konflikte friedlich de-eskaliert. Und um die Kinder der Getöteten wird sich die “Aktion Mensch” kümmern.

 

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