Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

21.08.2011   18:35   +Feedback

Kyritz an der Knatter

Am Freitag drehten wir die letzten Takes für die zweite Staffel der “Deutschland-Safari” entlang der Bundesstraße 5 nordwestlich von Berlin. Da wir für eine Einstellung einen romantischen Hintergrund brauchten, rollten wir nach Kyritz und parkten unseren bunten Volvo mitten auf dem Marktplatz. Es war kurz nach vier, der Himmel war blau wie Erich am Vatertag, das Cafe Schröder sah einladend aus, die Kuchen seien hausgemacht, versicherte die Wirtin. Außerdem stand “Würzfleisch” auf der Speisekarte, der DDR-Klassiker. Wir platzierten uns also im Freien und überlegten, wo wir zuletzt eine so schöne Kleinstadt im Westen gesehen hätten. Da kam eine etwa 50 Jahre alte Frau auf uns zu und fragte, ohne jede Einleitung, ob wir wüssten, wer Judas war. Wir bejahten. Worauf die Frau fragte, ob wir den Plural von Judas wüssten. Wir schauten uns etwas ratlos an. “Juden”, sagte die Frau, “Juden”. Da wurde uns klar, Kyritz liegt nicht nur an der sprichwörtlichen Knatter, es liegt auch mitten in der ehemaligen der DDR, wo sich der Antisemitismus von Luther so erfolgreich mit dem von Marx liiert hat, dass er immer noch nachwirkt. Die Frau, das erfuhren wir später, war früher mal Pastorin in Kyritz. Jetzt knattert sie nur noch.

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