Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

19.08.2011   00:14   +Feedback

Mely schüttet ihr Herz aus

Kurz bevor die Berliner Autorin Mely Kiyak im Deutschlandfunk ein Plädoyer für “seriösen Qualitätsjournalismus” abgeliefert und dabei die “Grenze zwischen Meinungsfreiheit und falscher Tatsachenbehauptung” betont hatte, machte sie in der Berliner Zeitung klar, was sie unter “seriösem Qualitätsjournalismus” versteht. Sie stellte einen Zusammenhang zwischen den Randalen in Tottenham und den Protesten in Tunesien und Tel Aviv her, TTT sozusagen. ““Ganz gleich, ob in Tunesien, Tel Aviv oder Tottenham, wenn du aufwächst und siehst, dass dein Problem von Hunderten oder Tausenden Menschen geteilt wird, kapierst du, es liegt nicht an dir. Der Virus sitzt im System. Dann hast du Wut!” Und: “Die unterschiedlichen Protestformen sind abhängig von Einkommen und Bildungsstand der Massen. Die Mittelschicht gestaltet Plakate, schreibt Gastbeiträge in Zeitungen und meldet ihre Protestroute ordnungsgemäß an. Andere schütten ihr Herz in der Dunkelheit aus.”

Mely freilich wartet nicht den Anbruch der Dunkelheit ab, sie tut es bei Tageslicht. Dass sie dabei ihre Leser duzt, als wäre sie eine MTV-Moderatorin, hat wohl damit zu tun, dass die “Berliner” nicht nur eine seriöse Tageszeitung, sondern auch ein Familienblatt ist, das von Oma, Mama und Tochter gelesen wird. Deswegen verfällt Mely am Ende ihrer Predigt in das virtuelle Wir: “Wir sollten aufhören, die einen mit Begriffen wie Plünderer und Randalierer zu entpolitisieren, während die anderen einer Demokratiebewegung zugeordnet werden, wo vielleicht sozioökonomische Aspekte im Vordergrund stehen.” http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0813/meinung/0051/index.html

Das ist seriöser Qualitätsjournalismus, der im Gegensatz zu unseriösem Qualitätsjournalismus genau zwischen Meinungsfreiheit und falscher Tatsachenbehauptung unterscheidet. Denn natürlich haben auch die Plünderer politische Motive: sie wissen, dass LED-Fernseher besser als Plasmafernseher sind. Auf die Berliner Zeitung bezogen, würde das heissen: Man kann sie lesen, aber man kann sie auch dazu benutzen, tote Fische zu verpacken.

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